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Wer braucht schon Mediaagenturen?

Dr. Peter Petermann (Foto: Carat)
Dr. Peter Petermann (Foto: Carat)

Dr. Peter Petermann, Managing Director Strategy bei Carat Deutschland, schreibt als Autor der APG (Account Planning Group) in unserer aktuellen 'new business'-Printausgabe (ET: 9.3.) über die Zukunftsfähigkeit von Mediaagenturen. In der Diskussion zur Rolle der Mediaagenturen hatten sich zuvor Thomas Strerath, designierter Vorstand bei Jung von Matt, und Ulrich Kramer, GF pilot, in 'new business' zu Wort gemeldet.

Es folgt hier ein Auszug aus dem Beitrag von Petermann:


"Die Econometrics-Abteilung von Dentsu Aegis erhebt seit mehr als fünf Jahren die zehn wichtigsten Treiber des Return on Investment (ROI). Der mit Abstand wichtigste Einflussfaktor auf den ROI ist der Marktanteil – der Teufel, pardon, scheißt immer auf den größten Haufen. An Platz 2 der wichtigsten ROI-Treiber landet aber dann schon die Kreation: Eine gute Kreation treibt den Profit mit dem Faktor 12 gegenüber schlechter Kreation. Das werden Kreativagenturen gerne hören, bestätigt es doch das altbekannte Diktum von David Ogilvy "it's not creative unless it sells".

Die restlichen ROI-Treiber fallen dann allerdings allesamt in den Bereich Media und haben zusammengenommen einen ebenso großen Einfluss auf den ROI wie der Marktanteil. Indem eine Mediaagentur klassische Planungsgrößen wie die Auswahl der richtigen Kanäle, Phasing, Budget Setting oder Saisonalität richtig einstellt, kann sie den ROI um fast 200 Prozent steigern.


Programmatic everywhere

Der automatisierte (also durch Computer-Programme gesteuerte) Handel mit Werbeflächen wird in den nächsten Jahren rapide zunehmen. Bislang wird nur ein vergleichbar kleiner Teil des digitalen Inventars großer Vermarkter programmatisch vermarktet. Aber das wird sich dramatisch ändern: Online-Video, Mobile Display, Digital OOH und definitiv auch klassisches TV (auf Smart TV-Geräten) werden in allernächster Zeit mit Hilfe von Tools und Trading Desks in Real Time planbar, buchbar und optimierbar sein.

Um die gewaltige Menge an Daten, die für diese Art von Werbeflächenvermarktung notwendig ist, managen und sinnvoll nutzen zu können, bedarf es hochkomplexer Systeme auf der einen und hervorragend ausgebildeter Spezialisten auf der anderen Seite, die diese Tools auch bedienen können.

Der programmatische Einkauf eröffnet uns ganz neue, ausgesprochen spannende Möglichkeiten, beim Verbraucher Relevanz zu erzeugen; beispielsweise wenn wir originären Marken-Content in Echtzeit ausspielen, messen und optimieren können. Carat hat beim Deutschen Mediapreis gerade Gold für unseren Kunden Adidas gewonnen, weil wir während der Fußball-WM genau das gemacht haben: Wir haben reaktiven WM-Content in Echtzeit programmatisch zu den Fans gebracht und konnten Adidas so zur "most talked about brand" der Weltmeisterschaft machen.


Content is King

Das Thema Content dominiert ja gerade große Teile der öffentlichen Diskussion. Allerdings gibt es gerade in der Kreativbranche ein paar Leute, die "Content" mit "Werbebotschaft" gleichzusetzen scheinen. Ich glaube, das ist heutzutage nicht mehr zulässig. Der Verbraucher weiß nämlich sehr wohl zu unterscheiden zwischen der reinen Werbe-Message ("Red Bull verleiht Flüügel") und darüber hinausgehenden Inhalten (z.B. dem Stratos-Sprung oder Red Bull Racing).

Natürlich wissen wir, wie wichtig beispielsweise der klassische TV-Spot für Markenbekanntheit und Sales ist. Etliche Studien belegen den Zusammenhang zwischen einem regelmäßigen Werbekontakt und dem Abverkauf. Aktuell dominieren die Thesen von Byron Sharp ("How brands grow") und seinem Ehrenberg-Bass Institut die Diskussion – er spricht von "Mental Availability" als wichtigstem Faktor für den Erfolg von Marken. Was Byron Sharp aber auch klar macht ist die Tatsache, dass zu viele rein werbliche Kontakte kontraproduktiv sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine Marke eine andere Art von Content einsetzen muss, um die Mental Availability zu erhöhen, also die Präsenz einer Marke in den Erinnerungsstrukturen ihrer Verbraucher.

Natürlich gibt es großartige Beispiele von originärem, nicht-werblichem Content, der von Kreativagenturen produziert wird, zum Beispiel den "Supergeil"-Song für Edeka. Agenturen wie Heimat, Scholz & Friends oder Jung von Matt beeindrucken tatsächlich immer wieder mit tollen, hochkreativen Ideen (und da ziehe ich meinen Hut in Hochachtung). Aber in aller Regel sind das One-Offs, die meistens aus der Marke (bzw. aus der Kreation) kommen und nicht aus dem Verbraucher. So kann ich beispielsweise auch nach langem Suchen keinen Insight hinter "Supergeil" finden.


Konvergenz ist mehr als Vernetzung von Geräten

Unter Medienkonvergenz wird landläufig die Vernetzung von verschiedenen technischen Geräten verstanden; der Kühlschrank, der automatisch im Internet Milch nachbestellt ist eine gängige Metapher. Natürlich geht es bei moderner Kommunikationsplanung auch darum, die Marke über verschiedene Touchpoints hinweg zu inszenieren; also beispielweise den TV-Spot mit einer Botschaft auf dem Second Screen zu verzahnen; ein Plakat durch einen QR-Code mit dem Smartphone "mobil zu machen" oder einen Radio-Spot via Shazam auf dem Handy zu bebildern.

Konvergenz ist in Wahrheit viel mehr als nur die Vernetzung von Devices. Beim Thema Konvergenz geht es vor allem um den Menschen, um seine kulturellen Vorlieben und seine inhaltlichen Interessen. Der wirkliche Nutzen von Konvergenz liegt für den Verbraucher nicht etwa darin, dass er sich nicht mehr um den Milcheinkauf kümmern muss (das möchte er nämlich in Wahrheit gar nicht an seinen Kühlschrank delegieren); der Mehrwert von Konvergenz liegt in der Personalisierbarkeit von Daten.

Wirklich nutzwertige Beispiele für Konvergenz sind die Vorschlagsliste bei Amazon ("Das könnte Sie auch interessieren"); die Rezensionen von Hotels und Restaurants bei TripAdvisor; oder die Möglichkeit, mir dank Shazam ein Lied zu merken, dass mir im Club besonders gut gefällt. Konvergenz hat also in Wahrheit viel mehr mit "Culture" zu tun als mit Technologie – und durch die Forschung, die wir Mediaagenturen betreiben, sind wir besser als jeder andere in der Lage, die Kultur-Landschaften des Verbrauchers zu vermessen und für unsere Kunden nutzbar zu machen.


Von Media KPIs zu Business KPIs

Mediaagenturen haben in den vergangenen Jahren ein völlig neues Selbstverständnis entwickelt. Um es auf Englisch zu sagen: "From media outputs to business outcomes." Mediaagenturen haben sich tendenziell immer schon eher als Investment-Berater verstanden, denn als Lieferant einer Commodity. Aber in der heutigen, ROI-getriebenen Welt ist dieses Selbstverständnis berechtigter denn je.

Neben den Investitionen in Forschung und Tools haben Mediaagenturen Geld in die Entwicklung von komplexen Instrumenten zur Erfolgsmessung gesteckt. Wir sind schon länger in der Lage, rückwirkend den Beitrag der verschiedenen Maßnahmen und Kanäle zum Abverkauf zu modellieren; heute können wir aber auch den ROI von unterschiedlichen Szenarien mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizieren und in Echtzeit verfolgen; wir können den Wirkungsbeitrag komplexer, integrierter Ecosysteme (also Bought, Owned und Earned Media) messen; und wir können den Mediaeinsatz in Echtzeit auf den ROI hin optimieren (und zwar nicht nur im Bereich von Performance Marketing).

Das hat zur Folge, dass Mediaagenturen heute bereit sind, einen Teil ihres Honorars an den wirtschaftlichen Erfolg des Kunden bzw. an den ROI der Kampagne zu koppeln. Außer Performance-Agenturen kenne ich keinen anderen Marktteilnehmer, schon gar keine Kreativagentur, die dazu bereit wäre.


"Hält Ihre Marke fit"

Das Klischee des Media-Beraters hält sich hartnäckig: der Erbsen zählende Harry Crane, der noch immer nicht Partner ist, während die Mad Men dieser Welt die coolen Präsentationen halten und tolle Sprüche klopfen. Aber als Fan der Serie ist mir Harry Crane spätestens seit der sechsten Staffel deutlich sympathischer als Don Draper. Dank seiner California-Connection hat er viel früher als die anderen erkannt, wo die Zukunft der Branche liegt: an der Westküste. Hier wurden tatsächlich später die richtig coolen Agenturen gegründet – und die Nähe zum Silicon Valley ist sicherlich kein Zufall.

Im richtigen Leben ist es, denke ich, ganz genauso. Es gibt einige Bereiche, wo Mediaagenturen für die Kunden nicht nur unverzichtbar sind, sondern im Vergleich zu Kreativagenturen auch klar die Nase vorn haben:

1. Besseres Verständnis von Zielgruppen und deren Entscheidungsfindungsprozesse: Durch die proprietäre Erforschung der Einstellungen, kulturellen Interessen und Motivationen von Verbrauchern verfügen Mediaagenturen über die bessere Basis zur Generierung von Insights. Dieses fundierte Wissen ist darüber hinaus die Grundlage für jede Art von Content Strategie.
2. Besseres Verständnis der konvergenten Mediennutzung der Zielgruppe: Die Erkenntnisse, die Mediaagenturen über die Nutzung der sogenannten Container haben, erlauben uns nicht nur, die effektivsten Kontaktpunkte auszuwählen, sondern geben uns auch die inhaltlich-konzeptionelle Hoheit darüber, wie die relevantesten Medien am besten miteinander verzahnt werden können. Kunden, die in der Lage sind, Medien-Konvergenz zu beherrschen, sind in der Lage, die Distanz zwischen dem Point of Engagement und dem Point of Transaction zu überwinden.


Wer also braucht Mediaagenturen?

Kunden, die konsequent ihren ROI optimieren wollen – und zwar nicht durch immer höhere Rabatte, sondern durch eine effektivere, weil konvergentere Planung und Steuerung aller Kontaktpunkte – brauchen uns heute dringender denn je. Media-Owner brauchen uns – und zwar nicht nur, weil wir ihnen helfen, ihr Inventar besser und immer präziser zu planen und zu managen, sondern vor allem, weil wir gemeinsam mit ihnen Content-Strategien entwickeln und exekutieren, mit denen sie ihr eigentliches Produkt, nämlich den Inhalt, deutlich besser kommerzialisieren können.

Und letztlich brauchen uns auch die Kreativagenturen (auch wenn es vielen sehr schwerfällt, das zuzugeben), weil wir ihnen mit unserem Konsumentenwissen und unserer strategischen Kompetenz helfen können, bessere und konvergentere Kampagnen zu entwickeln."


Die oben erwähnten Beiträge über Strerath und Kamer finden Sie hier und hier.