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Werbung ist Kunst?

Michael Schipper (Foto: Schipper Company)
Michael Schipper (Foto: Schipper Company)

In einem Gastbeitrag, erschienen in der aktuellen Print-Ausgabe von 'new business', schreibt Agenturchef Michael Schipper über die gegenseitige Befruchtung von Kunst und Werbung. Hier ein Auszug daraus.


"Kreativität ist das Zentrum der Werbung. Auch das der Kunst – natürlich. Aber das darf uns nicht dazu verleiten, Werbung und Kunst zu verwechseln. So ein Missverständnis wäre schädlich für die Kunst, und genauso schädlich wäre es für die Werbung – auch wenn es vielleicht der Eitelkeit schmeichelt. Es gibt eine ganze Menge Gemeinsamkeiten, aber auch eine ganze Menge Unterschiede.

Kunst, so viel kann man voraussetzen, hat im Allgemeinen einen guten Ruf. Deswegen wären ja so viele Kreativschaffende auch gerne Künstler. Und das Genialische ist mehr als eine Attitüde. Es ist ein Booster für das Selbstwertgefühl, ein Reputationsmultiplikator – und dann, so ganz nebenbei, auf dem Umweg über Anerkennung und daraus resultierende Handlungs- und Entscheidungsspielräume auch ein ganz guter Vorwand für höhere Honorare oder Gehälter.

Werbung und Kunst verfolgen vollkommen unterschiedliche Ziele. Man kann behaupten: Kunst folgt dem Ideal, Werbung dem Geld. Kunst ist gestalterische Freiheit, Werbung ist gestalteter Zweck. Natürlich ist beides letztlich ein kommunikatives Phänomen. Und natürlich ist auch ein Kunstwerk nicht zweckfrei. Aber die Aussage ist eine unterschiedliche. Werbliche Aussagen haben immer eine ganz konkrete Aufgabe. Denn Werbung ist per definitionem appellativisch. Sie hat den Zweck, einer bestimmten Absicht zu dienen. Nämlich zunächst der des Auftraggebers.

Auch die Kunst folgt dem Geld, kann man einwenden. Denn Kunst ohne wirtschaftliche Konsequenzen kann nicht existieren. Wenn keiner bezahlt, gibt es die Kunst nicht lange. Da ist der Auftraggeber, der Mäzen oder der Käufer, der die Existenz der Kunst erst möglich macht. Schon richtig. Aber der wirtschaftliche Aspekt von Kunst ist immer zweitrangig. Das ist ja gerade der Witz bei der Kunst: Sie hat ihren eigenen Markt. In diesem Markt ist viel Geld unterwegs, aber das Geld gehorcht hier einer anderen Logik. Primär ist der Kunstmarkt ästhetisch definiert.


Kreativ-Branche muss mehr können als Effizienz

Kunst hat also ihren eigenen Markt. Und Werbung? Natürlich gibt es auch einen Markt für Werbung. Aber das ist immer ein Sekundärmarkt. Ein Vize-Markt, ein Markt zweiter Ordnung: denn er ist immer an einen Primärmarkt gekoppelt. Eben den der Marken, der Services und Produkte, für die er Werbung macht. Wem es besser gefällt, der kann auch sagen: Sinn und Form der Werbung spielen auf einer Meta-Ebene. Das ändert aber nichts an der Grundlage, der ganz konkreten ökonomischen Zielsetzung von werblicher Kommunikation.

Es genügt nicht, das Ziel zu kennen. Der Weg dahin bleibt dem versperrt, der immer nur geradeaus geht. Eine Branche, die auf Kreativität angewiesen ist, muss mehr können als Effizienz. Und das ist der Moment, in dem der Werber dann doch zum Künstler werden darf. Ja, er muss es sogar: Schöpferisches Wirken ist ohne Inspiration nicht möglich. Und die Inspiration dafür ist genau die Inspiration des Künstlers. Ein Moment der genuinen Freiheit: aus sich heraus die Welt um etwas Neues zu bereichern, Unbekanntes und Ungeahntes zu schaffen, dem Ungesehenen eine Bühne geben. Das gehört zu dem, was die Werbung als Branche für viele so unwiderstehlich macht."