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New Work-Pioniere (v.l.): Patrick Fell, Ralph Schumann und Andreas Ollmann (Foto: Ministry)

New Work-Pioniere (v.l.): Patrick Fell, Ralph Schumann und Andreas Ollmann (Foto: Ministry)

New Work bei Ministry: Maximale Freiheit - und maximale Verantwortung

Die Ministry Group zählt zu den New Work-Pionieren der hiesigen Agenturlandschaft. Vor rund einem Jahr verabschiedete sie sich ganz bewusst vom "Geschäftsmodell Digitalagentur". Wie sich das Hamburger Unternehmen seither positioniert, für welche Kunden es arbeitet und welche Rolle Freiheit und Verantwortung dabei spielen, erklären Geschäftsführer Andreas Ollmann, Ralph Schumann, Chef der Ministry-Werbeagentur zwhy und Account Director Patrick Fell im 'new business'-Interview.

Hier ein Auszug - die volle Version lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von new business.
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new business: New Work bedeutet Agilität und Freiheit – aber es geht vermutlich auch in der Ministry Group nicht ohne Strukturen und Regeln, oder?
Andreas Ollmann: Bei Ministry gibt es mit der Holding ein identitätsstiftendes gemeinsames Wertedach. Alle Unternehmen der Gruppe teilen eine gemeinsame Kultur. Zugleich haben wir übergeordnete Prinzipien, die für jede Organisationseinheit gelten. Zwei Beispiele: Entscheidungen sollten dort gefällt werden, wo das Wissen um ihre Notwendigkeit und die entsprechende Kompetenz liegt. Oder: An Themen, die die ganze Firma betreffen, arbeitet auch die ganze Firma mit.

nb: Klingt basisdemokratisch …
Ralph Schumann (lacht): Das Prinzip bedeutet nicht, dass immer alle Mitarbeiter an jeder Entscheidung beteiligt sein müssen. Aber wir laden alle ein, sich zu beteiligen. Nicht jedes Thema interessiert ja auch alle – das Spektrum reicht von 'Wie nennen wir unseren neuen Podcast?' bis hin zu 'Wie finden wir Gehaltstransparenz?'

Ollmann: Wenn über New Work gesprochen wird, klingt das immer alles total nach Anarchie und Wahnsinn und Esoterik. Aber dahinter stecken relativ harte betriebswirtschaftliche Gründe und Nutzen und Überlegungen.

nb: Welche?
Ollmann: Ziel bei alledem, was wir da aufgebaut haben, ist, dass das gesamte Unternehmen in der Lage ist, sich permanent anzupassen. Das funktioniert unserer Meinung nach nicht, wenn man eine – oder mehrere – gottgleiche Personen an der Spitze hat, deren Ideen top-down umgesetzt werden. So nach dem Motto: 'Dieses Snapchat soll cool sein, lasst uns mal eine Snapchat-Unit aufbauen!' Unser Unternehmen soll sich von innen heraus entwickeln, damit es stabiler steht in dieser sich immer schneller verändernden Welt. Einer unserer Kunden hat mal gesagt, Digitalisierung ist ein bisschen wie beim Völkerball, nur dass die gegnerische Mannschaft nicht gegenübersteht, sondern die Bälle von allen Seiten kommen. Man weiß als Markenverantwortlicher nicht mehr, wo man hingucken soll. Und das geht uns als Agenturdienstleister ja genau so. Die Digitalisierung sorgt für eine unglaubliche Beschleunigung. Und die Veränderung kommt aus Ecken, die man gar nicht im Blick hatte. Deshalb müssen ganz viele Leute in alle möglichen Richtungen gucken. Und dann müssen sie den Ball auffangen – und zurückspielen. Das ist die Idee, die dahinter steht. Es geht nicht um Esoterik, sondern ums Überleben.

nb: New Work schreiben sich momentan viele auf die Fahnen. Wie sieht das bei Ministry in der Praxis aus?
Schumann: Basis unseres Modells ist das Agile Manifest von 2001. Wir haben uns gefragt, wie kriegt man diese agilen Mechanismen in den Agenturalltag? Die kamen ja aus der Entwicklung, aus großen Softwareteams und darum wussten wir schon immer, Scrum funktioniert für uns nicht.

nb: Warum nicht?
Schumann: Scrum bedeutet, überspitzt gesagt: Hundert Leute arbeiten zehn Jahre an einem Riesenprodukt. Wenn aber fünf Leute in ständig wechselnden Teams mit sieben anderen Leuten an kleinen Projekten arbeiten, die zwischen zwei Tagen und zwei Monaten Laufzeit haben, dann kann man keine Scrum-Stand-ups machen, da steckt man permanent in irgendwelchen Stand-ups. Das hat uns gezwungen, hinter die Prinzipien zu gucken und zu fragen, wie geht denn eigentlich agiles Arbeiten in einer Agentur.

Patrick Fell: Im Alltagsgeschäft unterscheidet sich New Work grundlegend von der Arbeitsweise klassischer Werbeagenturen. Bei uns verteilen Projektmanager nicht die Aufgaben, sondern sie werben um Mitarbeiter. Ich stehe jeden Morgen am Kanban-Board und erkläre das aktuelle Projekt: Was gibt es zu tun? Was brauche ich an Expertise? Dann melden sich die Mitarbeiter, die mit dabei sein wollen und wir bilden ein Projektteam.

Schumann: Das ist der große Vorteil, den New Work für unsere Kunden bringt. Wenn wir etwas machen, dann sind wir wirklich mit vollem Engagement dabei – und nicht, weil ein System uns vorgibt, heute arbeitest Du X Stunden auf Projekt Y. Wir wollen kreative Höchstleistungen – mit Muskelkater, aber ohne Bauchschmerzen.

Fell: Bei Ministry muss zum Beispiel auch niemand groß ankündigen, wenn er Home Office machen will – man tut es einfach. Eigenverantwortlich – wenn der Kalender es zulässt. Wir haben seit 2012 alles in die Cloud geschoben und ein eigenes ERP-System geschaffen. Man kann sich von jedem Gerät überall auf der Welt einloggen, hat Zugriff auf alle Daten, kann Präsentationen bearbeiten, Abstimmungen durchführen, mit Kollegen kommunizieren. Wir haben eigene Entwicklungen für Faktura, Projektmanagement und das Ticketsystem – alles selbst gebaut. Das ist die technologische Basis.

Ollmann: New Work ist aktuell ein Riesenthema in der Branche – für uns ist das schon alt. Wir sagen immer, wir sind schon drei Probleme weiter als die anderen Agenturen. Das ist manchmal auch ganz schön anstrengend. Denn die Krisen, in denen die anderen jetzt stecken, die haben wir schon gehabt. Auf der anderen Seite sind wir im Change Prozess natürlich ein paar Schritte weiter, daher kann die Group inzwischen andere Unternehmen gut dabei beraten. Wir haben zum Beispiel Consulting-Produkte wie den New Work Live-Tag, zu dem man sich als Firma anmelden kann, mit Workshops, Office-Safari und individuellen Gesprächen.

Schumann: Mir ist immer wichtig, zu unterstreichen: Jeder Mitarbeiter bei Ministry soll aus seiner Tätigkeit Befriedigung ziehen. Aber: Es ist ganz normales Arbeiten. Wir haben ja keinen Kickertisch-Verein hier. Sondern eine Kultur, bei der jeder eigenverantwortlich mit sich selbst und dieser Firma umgeht. Eigentlich besteht diese Firma aus 60 Geschäftsführern. Und die verhalten sich auch so. Meistens. (schmunzelt)

nb: Funktioniert diese Arbeitsweise für alle Mitarbeiter gleich gut?
Fell: Man muss schon eine bestimmt Art Mensch sein, um hier reinzupassen. Vor allem bei New Hires merken wir das.

Ollmann: Man muss darauf achten, dass die Leute mit dieser Art Kultur zurechtkommen. Manche brauchen auch jemanden, der ihnen sagt: 'Mach als nächstes bitte das, und zwar bis dann'.

nb: Bringen genug potenzielle Arbeitskräfte die nötige Eigeninitiative mit?
Schumann: Es gibt in der Agenturszene gerade einen großen Trend, dass Kreative in die Selbstständigkeit wechseln, lieber Freelancer sein wollen. Wir sind eine Art Gegenmodell. Denn dieses Gen zum Freelancertum muss man bei Ministry auch haben. Man muss unternehmerisch denken, muss sich selbst verwalten, sich selbst einschätzen, muss offen sein, manchmal auch mutig … also all das, was man als Einzelkämpfer-Freelancer auch braucht. Und als Plus gibt es obendrauf ein soziales Umfeld, das unterstützt und absichert. Wir haben deshalb relativ wenig Fluktuation.

nb: Für klassische Agenturstrukturen und -prozesse gibt es aber natürlich auch handfeste Gründe – zum Beispiel der Kosten- und Zeitdruck, unter dem man als Dienstleister arbeitet.
Ollmann: Ich glaube, dass unsere Branche stellenweise noch nicht ganz das richtige Verständnis hat, was wir unseren Kunden eigentlich verkaufen. Wir verkaufen nicht einen TV-Spot oder eine Anzeige. Wir verkaufen Kreativität – als Rohstoff und als Kernprodukt. Aber hier in diesem Büro machen wir eigentlich nur Handwerk. Hier entsteht keine Kreativität, hier setzen wir nur um, hier ernten wir.


nb: Und wo entsteht sie?
Ollmann: Entstehen kann Kreativität, wenn man mit nackten Füßen am Elbstrand steht, oder wenn man ein Buch liest, sich mit Freunden trifft oder mit seinem Kind spazieren geht. Dann laden wir wieder auf. Das ist für mich der betriebswirtschaftliche Hintergrund von unserer Arbeitsweise. Warum haben wir so viele Drop-outs um und bei 30 in unserer Branche? Weil wir den Rohstoff, den wir eigentlich unbedingt brauchen, systematisch zerstören. Durch falsche Arbeitsweisen, durch falsche Prozesse, durch falsches Management, einen falschen Umgang mit Menschen. Aber es kann auch anders funktionieren. Das sieht man beispielsweise daran, dass wir schon alle ganz schön lange hier sind.

nb: Wie kommt die New Work-Kultur bei den Kunden an?
Ollmann: Mein Gefühl ist, dass die Arbeitsweise am besten von Mittelständlern verstanden wird. Konzerne hängen oft noch sehr in pyramidalen Strukturen und fangen gerade erst an, sich mit New Work zu beschäftigen. Daher ist die agile Arbeitsweise auch noch nicht als Kriterium der Dienstleisterauswahl im Einkauf angekommen. Bei Mittelständlern dagegen gibt es zum Beispiel oft einen Impuls, wenn es einen Generationswechsel gibt. Und dann wünschen sich die Unternehmen auch auf der Dienstleisterebene Partner und Ansprechpartner, die ihre veränderten Arbeitsweisen verstehen.

Schumann: Bei unserem Kunden Xing 'matcht' es zum Beispiel hervorragend – obwohl das im Prinzip schon ein Konzern ist. Xing beschäftigt sich intern gerade selbst intensiv mit New Work – da hilft es bei der Zusammenarbeit extrem, dass wir, die New Work Agency Group, diese Prinzipien auch selbst leben.

nb: Welche Geschäftsfelder – oder: Agenturtöchter – generieren denn momentan das stärkste Wachstum? Vor gut einem Jahr haben Sie ja erklärt, Ministry wolle keine Digitalagentur mehr sein.
Ollmann: Wir machen immer mehr Markenstrategie. Wenn wir beauftragt werden, eine Kampagne zu machen, geht es ja nicht um einen TV-Spot und ein 18/1-Plakat, sondern eher um mittelgroße Kampagnen mit hohem Digitalanteil. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass die Markenbasis oft nicht so richtig fit ist. Und da gehen wir ran, machen die Markenberatung, die Positionierung – und wenn das fertig ist, können wir auch eine vernünftige Kampagne draufsetzen. Aber wir machen auch Messekommunikation – siehe K+S – viel klassische Sachen, auch Live-Kommunikation, Roadshow-Konzepte und Bewegtbild. Das wächst bei uns gerade sehr.

Schumann: Wir liefern häufig eine Kombination aus Consulting, Communication und Advertising. Das geht inzwischend fließend ineinander über.

nb: Sie sagen, die Probleme, die andere bei der Transformation haben, hätten Sie schon hinter sich gelassen. Mit welchen beschäftigen Sie sich dann heute?
Schumann: Eine Herausforderung, die New Work mit sich bringt, ist zum Beispiel, dass man nicht mehr wirklich abschalten kann. Es gibt keine Stechuhr mehr, die signalisiert: Jetzt hast Du Feierabend. Was ist Freizeit, was ist Arbeit? Das ist oft nicht mehr zu unterscheiden. Auf der einen Seite ist es total vielfältig, so viel Abwechslung gibt es nirgends, auf der anderen Seite ist es aber auch extrem anstrengend – vor allem die Führungsarbeit.

Ollmann: Das ist einer der wichtigsten Punkte, an denen wir aktuell arbeiten: Aufpassen auf sich selbst, aufpassen auf andere – und vermeiden, dass man sich selbst ausbeutet. Denn dann ist alles, was ich vorhin zu den Rohstoffen erzählt habe, wieder hinfällig.
(Interview: Ilka Schwabedissen)