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Benjamin Pleißner, Planning Director bei BBDO Düsseldorf, weiß, dass Marketer einiges von Comedians lernen können, zum Beispiel Originalität und permanente Zielgruppentests. (Bild: Benjamin Pleißner)

Benjamin Pleißner, Planning Director bei BBDO Düsseldorf, weiß, dass Marketer einiges von Comedians lernen können, zum Beispiel Originalität und permanente Zielgruppentests. (Bild: Benjamin Pleißner)

Strategy Corner: Was Marketer von Comedians lernen können

Von Justin Lines, Stratege und Researcher an der University of Edinburgh, und Benjamin Pleißner, Planning Director bei BBDO Düsseldorf.

Was ist heute die größte Herausforderung für kommerzielle Kommunikation? Aufmerksamkeit! Der britische Werber Dave Trott erkannte schon 2008, dass Menschen nur vier Prozent der Werbung positiv wahrnehmen und sieben Prozent negativ. An ganze 89 Prozent erinnern sie sich nicht einmal. Aufmerksamkeit ist das Thema in unserer heutigen „Attention Economy“. Wie aber bekommt man die so heiß begehrte Aufmerksamkeit der Menschen?

Die Antwort scheint einfach. Interessant sein. Das hat Justin Lines in einer wissenschaftlichen qualitativen Studie an der University of Edinburgh herausgefunden. Das Interessante daran? Er untersucht nicht Marketingkommunikation, sondern Comedians. Das Thema ist wenig erforscht, daher gibt es kaum Literatur. Dafür gibt es umso mehr Interview-Material. Hunderttausende Interviews, Millionen von Stunden. Vor allem Podcasts, in denen Comedians über ihre Methoden sprechen. Und so hat Justin Lines in seiner Forschung Hunderte Stunden Material von englischen Top-Comedians wie Isy Suttie, Jimmy Carr oder Romesh Ranganathan analysiert, um ihren Kreativprozess zu verstehen.

Doch nicht nur, weil das Interessante Aufmerksamkeit schafft, ist es wichtig für Marketers. Viel wichtiger: Das Interessante wirkt. Les Binet und Peter Field nennen es in ihrer Studie der erfolgreichsten Kampagnen der letzten Jahrzehnte den „Fame“-Faktor. Und der vervierfacht die Kampagnen-Effizienz. Das Interessante zu finden können Marketers von Comedians lernen. Denn beide suchen es. Marketers suchen es, damit Menschen ihre Werbung zumindest nicht wegschalten, überblättern oder drüberscrollen. Comedians suchen es, damit sie so unterhaltsam sind, dass Menschen dafür bezahlen.

Eigenartig, aber okay – das ist interessant

Wir Menschen sind die einzigen Tiere, die nicht nur wissen, wie die Dinge sind, sondern auch, wie die Dinge sein sollten. Interessant zu sein bedeutet zu zeigen, dass der Status quo nicht dem Idealzustand entspricht. Laut Justin Lines wissen Top-Comedians: Das wirklich Interessante nimmt den Alltag nicht als selbstverständlich hin. Wenn Comedians das Selbstverständliche nicht angreifen, sind sie langweilig. Wenn sie kein neues Verständnis offenbaren, sind sie absurd. Klingt kompliziert? Ist aber einfach.
Interessant ist, was eigenartig ist, aber okay. Nicht interessant sind Dinge, die eigenartig, aber nicht okay sind oder okay, aber nicht eigenartig. Deshalb sind ein Schlagzeug spielender Gorilla und Auto fahrende Clowns interessant. Sie sind eigenartig, aber wir verstehen, was sie tun. So arbeitete der Gorilla stärker als jede vorherige Kampagne für die Marke Cadbury und lieferte einen Return on Investment (ROI) von 4,88 Pfund für jedes investierte Pfund. Und die Clowns halfen Audi, den Absatz dreimal stärker als der UK-Markt zu steigern. Und genau deshalb, weil es eigenartig, aber okay ist, war die Strategie hinter der KFC-Kampagne zum Launch des Dirty Louisiana Burgers „Don’t make dirty good, make clean bad“ so erfolgreich. Die Kampagne sorgte für so starke Aufmerksamkeit, dass KFC im Kampagnen-Zeitraum 67 Prozent des Suchinteresses zu „clean eating“ in Großbritannien für sich vereinnahmte. Und führte dazu, dass der Dirty Louisiana Burger bereits nach drei Wochen in 70 Prozent der Filialen ausverkauft war.

Drei Beispiele, die mit Silber (Cadbury) , Gold und Grand Prix (Audi) bei den IPA Effectiveness Awards und Grand Prix (KFC) für Effective Social Strategy bei den WARC Awards zu den erfolgreichsten Kampagnen zählen. Wenn Marketers also den Mut haben etwas zu tun, das eigenartig, aber okay ist, dann haben auch sie die Chance, interessant zu sein und die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen.

Witzig schafft interessant

Comedians können eines meisterhaft: die sogenannte „Benign Violation“. Das Witzige und Interessante entsteht dabei durch eine unvereinbare Kombination. Das ist eine gutartige, freundliche oder sogar liebevolle Verletzung oder auch Störung. Das sind Dinge, die gleichzeitig eigenartig, aber in Ordnung sind. Humor ist interessant.

Research zeigt, dass Comedians Gesellschaftskritiker sind. Sie sind großartig darin, unsichtbare Kultur sichtbar zu machen. Sie besitzen vor allem die Gabe, das Dunkle und Öde aufzudecken. Das Dunkle und Öde, das zu tabu ist, um darüber zu sprechen, oder zu gewöhnlich, um es wahrzunehmen. Comedians trainieren regelrecht einen Blickwinkel, der nach „Benign Violations“ sucht. Dieser Blickwinkel kann aus der Kindheit kommen, die besonders dunkel oder öde war. Aus Jobs, die ihnen beigebracht haben, das Gefährliche sicher oder das Uninteressante interessant zu machen. Entsprechend der „Benign Violation“-Theorie untersuchen Comedians die Welt, in der wir leben, und suchen im Alltäglichen entweder nach dem Freundlichen und überlegen, wie sie es verletzen können. Oder sie suchen nach der Verletzung und überlegen, wie sie diese freundlicher darstellen können. Auch Marketers sollten sich dieses Muster zunutze machen, um mit dieser Perspektive auf das Alltägliche Interessantes zu identifizieren.

Mit permanentem Pretesting nicht zur Langeweile, sondern zum perfekten Witz

Jeder Witz fängt mit einem Fehler an. Und dann noch einem. Gefolgt von peinlichem Schweigen. Kurzum: Kein Witz ist im ersten Anlauf witzig. Um aus ihren Beobachtungen komödiantische Insights zu machen, das Witzige zu interpretieren, testen und ändern Comedians ihre Witze so lange, bis sie den gewünschten Effekt erzielen. Sie gestalten ihre Witze durch immer wieder neue, unvereinbare Kombinationen um. Indem sie zwei Dinge zusammenbringen, die nicht zusammenpassen. Witze entstehen selten in einem Tag. Comedians testen ihre Ideen durch Wiederholungen bei Auftritten. Sie lernen durch die Rückmeldung des Publikums. Für Romesh Ranganathan zum Beispiel ist es unumgänglich, einige Auftritte mit seinen Witzen gespielt zu haben, um sich damit wohler zu fühlen. Er weiß dann, dass die Pointe und der Lacher sicher kommen wird. Er stellt auch sicher, dass sein neues Material außerhalb seiner Haupttour getestet wird, damit das, was er auf der teureren Tour liefert, auch wirklich sein Bestes ist. Jimmy Carr meint, das Spannende am Testen sei, herauszufinden, warum etwas nicht funktioniert habe. Selbst eine wirklich gute und lustige Idee müsse passend kommuniziert werden. Was bedeutet das für Marketers? Vielleicht sollten wir statt eines großen Tests lieber viele kleinere Tests fahren, um herauszufinden, was nicht funktioniert. So kämen wir schließlich zu einer wirklich wirkungsvollen Pointe unserer Idee.

Den ganzen Text lesen Sie in der Printausgabe 4/2020. Zur Heftbestellung geht es hier

Die Account Planning Group veröffentlicht alle zwei Wochen im Strategy Corner der new business aktuelle Strategieansätze für Marketer. Die APG ist der Verband der Marken- und Kommunikationsstrategen in Agenturen und Unternehmen und hat das Planning in Deutschland etabliert.