ANZEIGE

Kreativ-Urgestein David Lubars hat fertig - Foto: BBDO Worldwide

Kreativ-Urgestein David Lubars hat fertig - Foto: BBDO Worldwide

Werbelegende

David Lubars verlässt BBDO Worldwide

Es ist ein verhältnismäßig kurzer LinkedIn-Post, mit dem sich die BBDO Worldwide Group von seinem CCO verabschiedet. Und doch steht so viel drin: „David Lubars, Chief Creative Officer von BBDO Worldwide, hat angekündigt, dass er nach zwanzig Jahren in dieser Funktion zum Ende dieses Jahres in den Ruhestand gehen wird. Lubars, der von Forbes als einer der zehn besten Kreativdirektoren aller Zeiten ausgezeichnet wurde, hat mit seinen Arbeiten immer wieder für Überraschungen gesorgt, sie waren immer perfekt ausgearbeitet und haben, wie er sagen würde, "die wahre Magie der Marke" zum Vorschein gebracht. Von "You're Not You When You're Hungry" für Snickers bis hin zu HBO Voyeur und den bahnbrechenden BMW-Filmen. Unter Davids Führung wurde BBDO bei den Cannes Lions rekordverdächtige sieben Mal zum "Network of the Year" und 2020 zum "Network of the Decade" gekürt. Er wurde in die The One Club Creative Hall of Fame aufgenommen und von den Clios mit einem Lifetime Achievement Award geehrt. David hat persönlich über 600 Cannes Lions, 700 One Show Pencils und sieben Emmy Awards gewonnen. Wir danken dir, David. Für alles.“, ist dort zu lesen.

Man könnte es jetzt so auf sich beruhen lassen. Das würde dem Werk des Ausnahmekreativen aber bei weitem nicht gerecht. Denn hinter den genannten Kampagnenbeispielen stecken in Wahrheit ikonische Werbebotschaften, mit denen Lubars es schaffte, die jeweiligen Marken nachweislich im zweistelligen Prozentbereich nach oben zu bringen.

Kampagnen, die Geschichte schrieben

Das erste Beispiel, dass einem dabei sicherlich in Erinnerung kommt, ist eine in 2001 gelaunchte Kampagne für BMW, die ein Jahr laufen sollte und eigentlich eine Kurzfilm-Serie war. Noch heute gilt sie als eine der einflussreichsten Kampagnen dieses Jahrhunderts. In „The Hire“ spielte Clive Owen die Hauptrolle, in Nebenrollen traten Madonna, James Brown, Don Cheadle und Gary Oldman auf. Bei jedem Spot führten verschiedene preisgekrönte Regisseure Regie, darunter Ang Lee, Guy Ritchie, Wong Kar-wai, Alejandro Gonzalez Iñárritu und John Frankenheimer. Allein das hätte wahrscheinlich schon gereicht, um die Autokampagne – und was anderes sollte die Serie am Ende nicht sein – als ikonisch zu krönen.

Aber sie hat viel mehr bewirkt. Zum einen hat sie den BMW-Fahrzeugverkauf nachweislich um satte 17 Prozent gesteigert. Sie hat auch etwas für die Werbeindustrie im Allgemeinen getan, denn die Spots veränderten die Wahrnehmung von Werbespots. Auf einmal waren sie nicht mehr eine störende Ablenkung, sie wurden zu Stücken der Unterhaltung. Oder wie McCann-CEO Jan-Philipp Jahn es 2019 gegenüber shots.net ausdrückte: „The Hire war ein Ausgangspunkt und ein Maßstab für Content Marketing, nicht nur für die Automobilindustrie, sondern insgesamt. Rückblickend war die Serie damals sogar noch wirkungsvoller, weil Netflix und Co. den Markt nicht mit selbstproduzierten Serien überschwemmten …“ Inzwischen wird der Kampagne die Initialzündung für „Branded Entertainment“ zugeschrieben. Die Filme hatte Lubars übrigens noch im Auftrag seines damaligen Arbeitgebers Fallons in Minneapolis gemacht und damit so ziemlich alle Kreativawards gewonnen, die es damals zu gewinnen gab.

Kurz nach diesem Erfolg, 2004, hatte BBDO bei Lubars angeklopft und ihn von Minneapolis in die New Yorker BBDO-Niederlassung geholt, wo er zunächst als Kreativdirektor startete und sich bis zum Chief Creative Officer von BBDO Worldwide und Chairman von BBDO North America hocharbeitete.

Für BBDO entwickelte er zusammen mit seinen Teams ebenfalls Kampagnen, die in die Werbegeschichte eingegangen sind. So beispielsweise das im Jahr 2007 für den Kunden HBO gemeinsam mit der Digitalagentur Big Spaceship und dem Regisseur Jake Scott entstandene Multimediaprojekt „The Voyeur“ – eine lebensgroße Projektion auf eine Seite eines Wohnhauses in Manhattan, die den Eindruck erweckte, die Zuschauer könnten buchstäbdlich hinter die Mauern direkt in die Apartments der Mieter:innen gucken. Konnten sie auch, denn die Filme hinter der Projektion liefen online und die Zuschauer:innen wurden in die Lage versetzt, sich von zuhause aus die Geschichten angucken, die sich hinter den Türen der einzelnen Wohnungen abspielten.

Eine weitere der unzähligen Kampagnen aus Lubars‘ Feder debütierte 2010 als In-Game-Spot beim Superbowl: „Du bist nicht du, wenn du hungrig bist“ für den Kunden Snickers. Der Film, in dem die inzwischen verstorbenen Betty White (Golden Girls) die Hauptrolle spielte bildete den Auftakt zu der seitdem auch in Deutschland laufenden Kampagne, von der die Marke selbst behauptet, sie habe bereits im ersten Jahr für ein Absatzplus des Schokoriegels von 15 Prozent allein im ersten Jahr gesorgt.

Zu den oben genannten Beispielen kommen diverse Kampagnen, unter anderem für AT&T, Procter & Gamble, WhatsApp und viele mehr hinzu. Alle zusammen sorgten dafür, dass Lubars persönlich bis heute – wie BBDO schrieb – mehr als 1.300 Awards gewonnen hat.

Die Zeit ist reif zu gehen

Damit soll zum Ende des Jahres Schluss sein. Der inzwischen 65-Jährige will sich aus dem Kreativ-Zirkus zurückziehen. Gegenüber dem New York Magazin sagte er, es sei an der Zeit kürzer zu treten. „Es ist irgendwie anstrengend, wissen Sie? Ich bin wohl müde. Und um es gut zu machen, muss man sehr hart laufen. Meine Knie tun weh, ich will nicht laufen, ich will gehen. Und jeder, der in der Branche tätig ist, weiß, dass es keine Spaziergangsbranche ist", lässt sich Lubars zitieren. Das NY Magazin hatte bereits 2004 seinen Wechsel von Fallon zu BBDO porträtiert. Damals war der Anlass, dass Lubars, als junge Führungskraft, einer der bekanntesten amerikanischen Werbeagenturen neuen Spirit verleihen sollte. Das Feature über den begann mit einer Szene, die sich heute kaum mehr jemand so vorstellen kann: mit einem Telefongespräch, in dem Lubars mit einem Kunden darüber spricht, dass die Hälfte der Amerikaner bis 2006 über einen Breitbandanschluss verfügen wird ("Das ist eine Tatsache, kein futuristischer Blödsinn") und dass die Werbeagenturen, die das nicht verstanden haben, riskieren, "die Toilette des zwanzigsten Jahrhunderts hinuntergespült zu werden". Für den Beitrag des Magazins über seinen Abgang auf genau diese Szene angesprochen und darauf, was er heute sagen würde, spricht er über die aktuelle Faszination für alles, was mit künstlicher Intelligenz zu tun hat, um dann schnell zu dem zu Schwenken, das sich nicht verändert hat: das Streben nach einer großen Idee, das trotz aller Fragmentierung der Medien und der sich ständig weiterentwickelnden Tools und Plattformen, als Relevanz nicht verloren habe. "Das ultimative Ziel - und das ist eine seltsame Metapher - ist es, mit seinem Publikum verheiratet zu sein", sagt er gegenüber dem NY Magazin. "Wie in einer Ehe vertraut man einander, man verbringt sein Leben miteinander, man tut etwas füreinander. Das ist es, was große Marken tun. Sie geben nicht nur, sie nehmen auch. Und dann hält man die Beziehung mit neuen interessanten, lustigen Dingen frisch. Das ist eine zeitlose Sache, die immer da sein muss, und das ist es, was man mit einer großen Idee erreicht.“

Und räumt ein, es seien in der Tat aufregende Zeiten, voll von Herausforderungen und Möglichkeiten, die ihn während seiner gesamten Karriere angetrieben hätten. Aber er wisse auch, dass dies nach mehr als drei Jahrzehnten in diesem Geschäft nicht ausreicht, um ihn im Spiel zu halten. Im Laufe des letzten Jahres habe es Anzeichen dafür gegeben, dass er bereit war zu gehen. Während seiner gesamten Laufbahn habe er seine Frau bei jedem Urlaub, den er mit ihr verbracht hat, genervt, indem er ständig in der Agentur anrief, um zu fragen, ob alles läuft. Und dass er es kaum erwarteb konnte, zurückzukommen, wenn sich der Urlaub dem Ende näherte. "In den vergangenen Urlauben wollte ich unbedingt im Urlaub bleiben", so Lubars. "Diese kleinen Dinge geben dir Hinweise, und du willst nicht, dass du die Leidenschaft verlierst, denn ohne Leidenschaft kannst du keine großartige Arbeit leisten. Ohne Leidenschaft kann man schnell von großartig zu gut übergehen, und gut ist der Feind von großartig."

Nun ist er ein Veteran der Branche, der das restliche Jahr damit verbringen will, seinen Nachfolger, den neuen Chief Creative Officer Chris Beresford-Hill, der im Dezember 2023 von Ogilvy zu BBDO gewechselt war, auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. Lubars Anspruch und seine Art zu arbeiten sollte er sich bis dahin draufgeschafft haben. Einfach wird es nicht, die großen Fußstapfen, die sein Vorgänger hinterlässt, auszufüllen. Dabei wollte Lubars, wie er selbst einmal von sich sagte „nie gut werden“. Ist er auch nicht, er wurde perfekt.