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"Das Vertrauen in Print wächst"

Jörg Hausendorf (Foto: Bauer)
Jörg Hausendorf (Foto: Bauer)

Anlässlich des Welttages der Zeitschriften am 26. November sprachen wir mit Jörg Hausendorf, Konzerngeschäftsleiter bei der Bauer Media Group, Hamburg, und Jochen Hahn, Geschäftsführer von miss Media, Wien, über die Zukunft des Publishing in Zeiten der Digitalisierung und das Vertrauen der Menschen in etablierte Medien.

nb: Herr Hausendorf, bei Bauer wird Print groß geschrieben, Herr Hahn, Sie setzen stark auf Social Media. Hand auf Herz, welchen Stellenwert haben Zeitschriften in der heute schon sehr digitalen Welt noch?

Jörg Hausendorf: Im Netz erleben wir die permanente Konkurrenz der Reize, Botschaften und Informationen – in Form von Musikfetzen, gesprochenem Text, Bewegtbild, Popups, verschiedenen Schrifttypen. Das alles stürmt auf uns ein, überlagert sich und streitet um unser Interesse. Ganz anders eine Printdoppelseite in einer Zeitschrift: Sie wirkt auf den Leser deutlich ruhiger und reizärmer ein. Hier herrscht Klarheit, Ordnung, Übersicht. Die wenigen Reize sind wohlgesetzt und können Wirkung entfalten. Print wirkt eben im Stillen. In der Tiefe. Gerade deshalb man sollte man seine Kraft niemals unterschätzen. So werden 80 Prozent aller verkauften Zeitschriften hierzulande zum vollen Preis gekauft und damit jede Woche millionenfache Kaufentscheidungen für gute Unterhaltung, seriöse Information und geistige Bereicherung getroffen.

Jochen Hahn: Doch in der durch Social Networks und Suchmaschinen disruptierten Medienwelt hat jeder User jederzeit Zugang zu allen denkbaren Informationen. Zentrales Device ist dafür das Smartphone. Es ist daher für junge Menschen, die in diesem Umfeld sozialisiert wurden, praktisch undenkbar für Text-Content zu bezahlen – egal ob gedruckt oder digital. Wenn Medienmarken also darauf bestehen, dass Menschen für Magazine in Zukunft bezahlen müssen, dann werden der Stellenwert und die Relevanz sukzessiv geringer. Ausgenommen davon sind Sach-Magazine mit extrem spitzen Zielgruppen und hochwertigem Content, die zumindest dem Bereich der beruflichen Weiterbildung sehr nahe sind.

nb: Zeitschriften stellen als Teil der Medienlandschaft eine wichtige Säule der Demokratie dar. Wie können sie ihre Rolle verteidigen in einer Zeit, in der jeder über Social Media Tatsachen behaupten und "Journalist spielen" kann? Außerdem können Parolen wie "Lügenpresse" das Vertrauen der Menschen in Zeitschriften und Journalismus durchaus beschädigen. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein?

Hausendorf: Die Fakten belegen, dass das Vertrauen der Menschen in Print groß ist und in den letzten Jahren sogar deutlich wächst. (laut Standard Eurobarometer der Europäischen Kommission, Anm. d. Red.) Print-Journalismus erfährt also einen Vertrauenszuwachs, während Online-Medien, vor allem soziale Medien, massiv Vertrauen einbüßen. Wobei auch hier gilt, dass die Glaubwürdigkeit von Print-Marken nachweislich positiv auf ihre Online Ableger abstrahlt. Menschen verbinden mit Zeitschriften Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und Vertrauen. Wir sind gut beraten, diese positiven Dinge selbstbewusst nach außen zu tragen und uns von niemanden etwas anderes erzählen zu lassen.

Hahn: Sichtbarkeit in Social Networks entsteht durch Relevanz in der jeweils anvisierten Zielgruppe. Wenn meine Zielgruppe meine Inhalte schätzt, dann führt das zu einer Immunität gegenüber allen negativen Begleiterscheinungen von Social Networks. Facebook ist aktuell der größte Content-Marktplatz der Welt. Ziel für jedes kommerzielle Medium muss es sein, genau dort die Themenführerschaft zu ergattern. Das schafft man jedoch nur, wenn man 100 Prozent Digitalisierung lebt. Daher müssen Workflows eine 180 Grad-Wendung hinlegen. Digital first, einen anderen Weg gibt es nicht! Aus diesem Change ergeben sich Verhaltens- und Userdaten mit deren Learnings man auch Printprodukte täglich ein Stückchen besser und damit relevanter machen kann. Parolen wie
"Lügenpresse" hingegen sind Ergebnis einer steigenden sozialen Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Viele spüren und erleben täglich eine Ungerechtigkeit im gesellschaftlichen System. "Mainstream-Medien" sind Teil dieses Systems und die Berichterstattung ist in vielen Fällen zu angepasst und zu unkritisch. Dadurch werden Medien für viele Menschen zum Teil des Problems, überspitzt formuliert, zu Mittätern der Ungerechtigkeit. Objektiver, kritischer und investigativer Journalismus ist das beste Gegenmittel. Diesbezüglich muss sich jedes Medium und jeder Journalist selbst an die Nase fassen, ob er diesen Ansprüchen täglich gerecht wird.

Mehr zum Thema finden Abonnenten von 'new business' in der aktuellen Printausgabe.

Jochen Hahn (Foto: miss Media)


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Margit Mair 27.11.2017