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Julian Mohr erläutert, was Marken aus dem Rezo-Video lernen können (Foto: Nqyer Media)

Julian Mohr erläutert, was Marken aus dem Rezo-Video lernen können (Foto: Nqyer Media)

Was Marken aus der "Zerstörung der CDU" lernen können

Ein Video, 55 Minuten – und mehr als 12 Millionen Aufrufe: Rezos "Die Zerstörung der CDU" ist in der breiten Öffentlichkeit auf große Resonanz gestoßen. Inwiefern sich das Video auf den Ausgang der Europawahl ausgewirkt hat, bleibt offen – doch ein paar Learnings stehen fest. Welche, weiß Julian Mohr, Gründer von Nqyer Media.

Was wir aus dem Rezo-Video lernen: Natürlich, dass Influencer Marketing ausnahmslos geil ist (111!!elf). Wie könnte ich als Gründer einer Influencer Marketing Agentur auch anders argumentieren, vor allem bei 12 Millionen Views in einer Woche. Ich will hier allerdings kein flammendes Plädoyer für die Branche und das Medium halten, sondern die mit dem Thema verbundene Viralität entmystifizieren und die – wie man auf neuhochdeutsch sagt – Key-Takeaways herausstellen, die zum Reichweitenerfolg geführt haben.

Erstens: die Thematik

Die Generation Y und Z entwickeln Inhalte für sich selbst und ihre eigene Generation. Das bedeutet auch, dass sie über Themen sprechen, die ihre eigene Generation besonders betreffen, wodurch diese von eben jener Generation geklickt werden. Die Veröffentlichung war in Bezug auf den Zeitraum, eine Woche vor der Europawahl, ideal getaktet und hat das Nummer 1 Thema in dieser Zielgruppe angesprochen – Umweltschutz, aka. kleinster gemeinsamer Nenner, da alle betreffend. Etwas, das jeder versteht und womit sich möglichst viele Menschen identifizieren, damit Engagement und Retention gegeben sind, die wiederum dazu führen, dass sich das Video viral über diverse Kanäle verbreitet.

Das bedeutet für Marken, dass es ist ungemein wichtig ist, den kleinsten gemeinsamen Nenner einer Zielgruppe zu kennen, um eine Botschaft in eine Zelle einzusetzen, aus der sich die Botschaft viral weiterverbreiten kann. Da erzähle ich vermutlich nichts Neues, allerdings versagen viele Marken und mitunter auch die CDU meist durch die engstirnige Arroganz, den Kommunikationsaufhänger, der in der Zielgruppe zieht, und den passenden Influencer schon zu kennen.

Zweitens: das Timing

Wie oben erwähnt, kam das Video eine Woche vor einem allgemein bekannten "Event". Die Awareness war daher mindestens peripher gegeben und wäre das Video einen Monat vor der Wahl online gegangen, wäre es wohl verpufft.

Das bedeutet für Marken: Die Budget-Töpfe funktionieren in der „neuen Welt“ nicht mehr. Sie funktionieren nicht mehr, weil sie falsch beschriftet und falsch verplant sind und dadurch nicht so agil ausgegeben werden, wie es diese Kommunikationskanäle und diese wöchentlichen Trends fordern. Die Töpfe, auf denen "Social Media" draufsteht, fließen zu 80 Prozent in gekaufte Reichweite, die schneller verpufft als die Stimmen der CDU. Und im Gegensatz zur CDU haben diese gekauften Reichweiten niemals richtig gelebt. Die Budget-Allokationen und die Ausgaben für diesen Kanal sind und waren nie zeitgemäß, weil immer noch versucht wird klassisches Denken auf neue Kanäle zu übertragen. Entweder kann man versuchen mit viel Geld selbst Trends zu erschaffen oder agil auf Trends aufspringen. Beide Herangehensweisen funktionieren, müssen aber fundamental anders ausgeführt werden und mit entsprechenden Budgets ausgestattet sein.

Drittens: die Keimzelle

Dieser mediale Erfolg entstand im Social Web. Nicht durchs TV bzw. die linearen Medien. Journalisten sitzen jeden Tag an unfassbar brisanten und wichtigen Themen. Panama Papers, Whistle Blower Stories, Cum-Ex und doch ist keines dieser Themen so in der jungen Zielgruppe angekommen wie Rezo. Warum? Weil der Informationsdistributionskanal kein Zombie ist. TV, Print, Radio: alle sagen es, alle fühlen es und alle agieren wie immer. AKK samt Partei und Aussagen steht sinnbildlich für die Generation vieler Budget-Verantwortlichen, die sich nach dem Erfolg alter Tage sehnen, die nicht mehr wiederkommen werden.

Das bedeutet für Marken: Die Causa Rezo zeigt, dass die sozialen Medien Stories schneller und gewiss unkontrollierter großmachen können. Und die linearen Medien geben Earned Media gratis dazu. Marken hätten in der letzten Woche atemberaubende Reichweiten erzielen können, wenn sie das Thema für sich richtig besetzt hätten, sind aber so agil und handlungsfähig wie die CDU im Funkloch eines liegen gebliebenen ICE. Liegt es nicht an den ungleich zu der Aufmerksamkeit verteilten Budget-Töpfen? Liegt es an den internen Abstimmungsschleifen? Laden wir das Amthor-Video jetzt hoch oder nicht? Markenbildung (Partei, Person, Produkt) fängt heute online an. Und "online" bedeutet heute im Social Web, wo langfristig gedacht und kurzfristig agiert werden muss.

Schlusswort: es ist paradox

Ganz Deutschland spricht über einen YouTuber. Alle wissen, dass man diese YouTuber mit dem richtigen Thema und gewiss auch unter den richtigen monetären Anreizen in sein Team holen kann. Und danach gehen wieder alle zurück an ihren Arbeitsplatz und machen weiter – wie immer. Keiner hinterfragt, ob Budgets noch adäquat zur veränderten Mediennutzung und neu verteilten Aufmerksamkeit investiert sind. Am wenigsten die Agenturen und Unternehmen, die von dem klassischen Mediageschäft profitieren. Was dann kommt, kann man an den Wahlergebnissen ablesen.

Nqyer Media, eine Tochter von Weischer.Media, ist spezialisiert auf Influencer Marketing, Content Marketing und Branded Entertainment. Das 2014 gegründete Unternehmen hat Projekte u.a. für Maggi, L`Oréal und die Haspa realisiert.