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Lukas Fassbender, The Trade Desk: "Wir haben zu viel Inventar im Markt"

Lukas Fassbender, General Manager DACH bei The Trade Desk, plädiert für eine gemeinsame Qualitätsoffensive (Foto: The Trade Desk)
Lukas Fassbender, General Manager DACH bei The Trade Desk, plädiert für eine gemeinsame Qualitätsoffensive (Foto: The Trade Desk)

Das Geschäft mit programmatischer Werbung läuft. Damit der Markt weiter wächst, braucht es jedoch mehr Vertrauen bei Marken bzw. Marketeers und eine höhere Akzeptanz für digitale Werbung bei den Usern, sagt Lukas Fassbender, General Manager DACH beim Demand-Side-Plattform-Anbieter (DSP) The Trade Desk – und plädiert dafür, gemeinsam höhere Qualitätsstandards zu etablieren.

Das volle Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe new business 37/2018. Zur Heftbestellung

new business: International boomt Digital-Werbung – in Deutschland wächst sie auch, aber deutlich langsamer. Wie sieht Ihre Halbjahresbilanz, wie die Prognose für 2018 aus?
Lukas Fassbender: Die Bilanzen sehen sehr positiv aus, sowohl die Halbjahresbilanz als auch die Tendenzen für das restliche Jahr 2018. Spannend ist für mich immer der internationale Vergleich. Hier sieht man, dass deutsche Unternehmen sehr speziell sind, was die Herangehensweise in der digitalen Werbung anbelangt. Sie sind immer ein Stück zurückhaltender, wollen nie die Ersten sein, wenn es darum geht, neue Technologien zu testen. Sie steigen erst dann ein, wenn es vorweisbaren Erfolge in anderen Märkten gibt. Und das kann gerade in einem innovativen Digital-Markt ein Hemmnis sein. Mit dieser Einstellung können deutsche Unternehmen nämlich nie die Vorreiterrolle in diesem Gebiet einnehmen, weil sie zu sehr auf Sicherheit bedacht sind. Doch wenn man auf die vergangenen fünf Jahre zurückblickt, dann sind deutsche Unternehmen trotz der typischen Zurückhaltung in einer vielversprechenden Position – gerade in Anbetracht, wie sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt hat. Es sind ganz klar positive Tendenzen hin zu mehr Innovationskraft zu erkennen.

nb: Zugleich gilt Deutschland was zum Beispiel Ad Fraud angeht, als digitaler Vorzeigemarkt. Wie bewerten Sie den aktuellen Status quo in qualitativer Hinsicht?
Fassbender: Als sehr gut. Man muss jedoch dazu sagen: Ad Fraud ist ein extrem weites Feld mit vielen Komponenten. Wie liefere ich Werbemittel konform der Markt-Spezifikationen aus? Wie stelle ich sicher, dass die Werbung des Kunden nur in Umfeldern ausgeliefert wird, in denen er auch platziert werden will? Und vieles mehr. Seit vielen Jahren haben die klassischen Verifizierungsanbieter bereits Technologien entwickelt, die Werbetreibenden die Möglichkeit geben, entsprechenden Traffic auszublenden oder gar nicht erst in unsicheren Umfeldern Werbung zu schalten. Wir gehen an dieser Stelle noch einen Schritt weiter und prüfen nicht nur jede einzelne Impression, die uns angeboten wird, dahingehend, dass es sich um "menschlichen" Traffic handelt, sondern treten auch in noch engere Partnerschaften mit den Angebotspartnern (SSPs) und Vermarktern. Dabei schauen wir: Wie können wir gemeinsam einen höheren, qualitativen Standard für unsere Kunden, für die Agenturen und für die Werbetreibenden etablieren? Zusätzlich zu den Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Verifizierungsanbietern kommt es darauf an, das Werbeumfeld selbst zu bewerten. Ziel ist es, noch engere Partnerschaften zu knüpfen, um die allgemeine Qualität des Inventars weiter zu heben. Hierbei ist für mich klar, dass Deutschland tatsächlich ein Vorzeigemarkt ist und die Vorreiterrolle übernimmt.

nb: YouTube, Facebook, Twitter und Co. haben in den letzten Monaten ja einiges in Bewegung gesetzt, um ihren Kunden sicherere Umfelder zu bieten. Wie sieht es im Programmatic-Bereich aus?
Fassbender: Anforderungen an Brand Safety sind immer individuell. Jede Marke muss für sich selber bestimmte Brand-Safety-Kriterien aufstellen, nach denen sie die angebotenen Werbeumfelder beurteilt. Dafür gibt es im programmatischen Bereich unzählige Möglichkeiten: Angefangen von Verifizierungsanbietern bis hin zu einer engen Zusammenarbeit mit SSPs und Inventarpartnern, um ein Grundmaß an qualitativem Inventar sicherzustellen. Schlägt man den Bogen zurück zu YouTube und Facebook, muss man natürlich festhalten, dass es sich bei den Inhalten dieser Seiten um User Generated Content handelt. Dieser entspricht häufig nicht hundertprozentig den Vorstellungen der Unternehmen in Bezug auf Brand Safety. Für die Verifizierungspartner bestehen keine bis limitierte Möglichkeit, das Werbeumfeld vorab zu prüfen, bevor die Werbung dort ausgeliefert wird. Wenn ich dagegen zum Beispiel im Videobereich auf ProSieben oder RTL meine Videokampagne programmatisch ausliefere, dann steht dahinter ein großes Unternehmen, das diesen Content kuratiert. Somit erreiche ich viel schneller eine Grundqualität und eine grundsätzlich brand-safe Umgebung.

nb: Blickt man auf die Inventarseite, gibt es gerade im Bereich der Premium-Publisher verstärkt Bewegung in Richtung Abo-Modelle, Pay Walls etc. Macht Ihnen das Sorge?
Fassbender: Ganz im Gegenteil, ich finde das ist eine sehr wichtige Bewegung! In meinen Augen ist Spotify ein anschauliches Beispiel. Hier können Nutzer auf monatlicher Basis bezahlen, um sich Musik anzuhören. Sie können aber auch die kostenfreie, werbefinanzierte Variante wählen. Für Spotify selber ist die werbefinanzierte Variante eine der besten Möglichkeiten, einen Nutzer zu einem zahlenden Nutzer zu machen. Player wie Hulu oder Roku TV aus den USA machen es im Videobereich genauso und setzen auf diese zwei Modelle. Betrachtet man nun aber Websites mit User-Content wie Blogs etc. oder redaktionellem Content wie zum Beispiel Nachrichtenseiten, dann gibt es viele Nutzer, die noch nicht nachvollziehen können, warum sie bezahlen sollten, was sie konsumieren. Es ist illusorisch zu sagen, dass wir auf Webseiten bald nur noch Paywall-Modelle haben. Das ist nicht tragbar, wenn man sich anschaut, wieviel News-Seiten der durchschnittliche Nutzer täglich liest. Für jede monatlich zu löhnen, wäre nicht im Interesse der Konsumenten, und dazu wären sie auch nicht bereit. Daher bin ich der Meinung, es wird immer diese zwei Modelle geben, da das eine Modell das andere füttert. Fakt ist aber: Wir haben zu viel Inventar im Markt. Es gibt mehr Werbefläche, als Nachfrage besteht. Wenn man dafür sorgt, dass es weniger, aber qualitativ hochwertigere Inventare gibt, dann ist das für alle Seiten sinnvoll: Es führt zu weniger konkurrierenden Marken, die auf der Publisher-Seite aufeinandertreffen, der Publisher verdient mehr und der User wird zu guter Letzt weniger mit nerviger Werbung zugespammt. All das hat einen positiven Effekt und sorgt dafür, dass Aufklärung stattfindet.

nb: Die Einstellung der User zu digitaler Werbung ist hierzulande bekanntlich eher verhalten. Ist Frequency Capping, also die mengenmäßige Begrenzung der an eine Person ausgespielten Werbung, die Lösung? Wie kann die Akzeptanz – und damit auch die Wirkung – von digitaler Werbung erhöht werden?
Fassbender: Die Akzeptanz ist definitiv zu niedrig, da gebe ich Ihnen Recht. Doch auch das ist ein ganz klares Missverständnis, unter dem die Branche in der Öffentlichkeit leidet. Das liegt eventuell auch daran, dass die Werbebranche in der Vergangenheit zu wenig transparente Aufklärung betrieben hat, damit die Leute Programmatic besser verstehen. Im Markt herrscht das einheitliche Bild, dass wir nur eines im Sinn haben: Immer mehr Werbung auszuliefern. Aber genau das ist nicht unser Ziel. Und erst recht nicht bei Programmatic! Mit Programmatic möchte man nicht in schnellster Zeit immer mehr Plätze beliefern – ganz im Gegenteil! Publisher sehen genau, auf welchen Platzierungen sie mit welchen Datenpunkten eine hohe Monetarisierung erreicht haben. Ziel muss es sein, herauszufiltern, welche Plätze schlecht monetarisiert sind und diese komplett abzuschalten. Dadurch haben Publisher dann zwar weniger Ad Slots im Angebot, diese sind dafür aber messbar ertragreicher. Wenn man nun die Perspektive der Werbetreibenden dazu nimmt, geht es nicht darum, den Nutzer mit zahlreichen Display-Bannern zu bespielen. Es geht vielmehr darum, bei der starken, im Markt herrschenden Konkurrenz, eine klar verständliche, kreative Nachricht an den Nutzer zu vermitteln. Das wird nicht erreicht, indem fünf Mal derselbe Werbe-Banner auf fünf unterschiedlichen Seiten ausgeliefert wird. Es geht vielmehr darum, eine Story aufzubauen. Der Nutzer hat vielleicht einen Video-Spot gesehen, als er sich letzte Nacht eine Show auf ProSieben angeschaut hat. Einen Tag später auf dem Weg zur Arbeit hört er noch einen Radio-Spot und im Büro trifft er gegebenenfalls auf unterschiedlichen News-Seiten auf ein paar Native Ads der Marke. Das ist die Art Story, die beim Kunden in Erinnerung bleibt. Er hat die Marke im Kopf aufgebaut, weil ihn die Story kanalübergreifend beschäftigt hat.