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Creative Corner: Texternachwuchs ist Mangelware


(Foto: Hamburg School of Ideas)

Gute Texter werden in den Agenturen händeringend gesucht. Auch die Hamburg School of Ideas, einst: Texterschmiede, verzeichnet steigende Nachfrage – nicht nur aus der Werbung, sondern zunehmend auch aus der Industrie. Über die veränderten Marktbedingungen und neue Aufgabenfelder für Sprachakrobaten sprachen wir mit Schulleiter Matthias Berg.

new business: Herr Berg, hätten sich die Urväter und -Mütter der Texterschmiede bei der Gründung vor gut 20 Jahren vorstellen können, dass es einmal zum Aufgabenfeld eines Texters gehören würde, Hashtags zu erfinden, Dialogmodule für Sprachassistenten, Social Media-Kampagnen, Content-Strategien oder YouTube-Blockbuster zu entwickeln?
Matthias Berg: Vor 20 Jahren war der technologische Fortschritt ja noch unbekannt. Aber damals wie heute war und ist das professionelle Handwerk das Gestaltungsmittel. Es gibt neue Formate, aber es braucht die alten Fähigkeiten, um kreativ und cool zu gestalten. Geändert hat sich, dass die wenigen Formate früher vorgegeben waren, damals, als man Reichweite vor allem noch über eine Mediaagentur eingekauft hat.

nb: Was hat sich daran geändert?
Berg: Heute machen Ideen Reichweite, weshalb sich Kreative schon an der strategischen Arbeit beteiligen sollten, in deren Folge die Formate erst entstehen. Für den Copywriter von heute haben wir hierfür gemeinsam mit der Account Planning Group ein umfassendes Strategiemodul entwickelt. Damit unsere Absolventen für die dynamischen Entwicklungen der Branche ausgebildet sind, wird unser Curriculum auch in den weiteren Modulen wie Basis, Craft, Idee und Konzept sowie Audiovisuelle Medien Jahr für Jahr aktualisiert. Dafür holen wir uns das entsprechende Know-how über unsere Dozenten aus der Praxis an die Schule.

nb: Die Texterschmiede hatte zuletzt ja mit leicht rückläufigen Bewerberzahlen zu kämpfen. Hat das demografische Gründe oder ist das auch als ein weiteres Warnsignal zu werten, dass der Beruf bzw. die Branche an Attraktivität verliert?
Berg: Diese rückläufigen Zahlen haben viele Gründe und machen uns Sorgen. Unsere Bewerber sind älter als früher und haben oftmals, gerade durch bereits abgeschlossene Ausbildungen, Probleme, noch eine weitere Ausbildung zu finanzieren. Sie bekommen keine weiteren Ausbildungskredite, Hamburg ist zum Leben zu teuer und eine Ausbildung an einer Privatschule dann nicht mehr finanzierbar. Natürlich bemerken auch wir den demografischen Einbruch. Erschwerend kommt dann dazu, dass die Werbebranche unter mächtigen Kostendruck steht.


nb: Wo sehen Sie die Gründe?
Berg: Die alten Erlösmodelle funktionieren nicht mehr, und die Agenturen müssen darum kämpfen, neue Rollen neben, unter oder im Workflow vor den Internetgiganten aus dem Silicon Valley zu finden, die zudem auch noch in einer nicht nachvollziehbaren, steuerbegünstigten Marktsituation wirtschaften. Und dann haben einige Agenturen selbst viel zu spät gemerkt, dass sie mit ihren Mitarbeitern nicht schlechter umgehen sollten als ihre Kunden. Das alles ändert aber nichts an der Attraktivität unserer Absolventen. Die Nachfrage nach ihnen ist eher gewachsen, gerade wegen der mannigfaltigeren Karrierewege in der digitalisierten Welt. Agenturen sollten wahrnehmen, dass es Alternativen zu ihnen gibt, mehr und mehr auch in Industrieunternehmen. Wenn Sie jetzt berücksichtigen, wie eng wir mit Agenturen zusammenarbeiten, können Sie sich leicht vorstellen, wie stark auch wir mit diesen dramatischen Veränderungen zu tun haben.

nb: Texter auf Senior-Level sind aktuell in der Branche ja mindestens ebenso gesucht wie UX-Experten und Entwickler, aber der Arbeitsmarkt ist ziemlich leergefegt. Woran liegt das, ist der Bedarf gewachsen oder sind in den letzten Jahren weniger ausgebildet worden?
Berg: Die digitale Technologie macht so schnell so große Sprünge, dass ein Vakuum an Experten entstanden ist. Für uns ist das positiv, da die Hamburg School of Ideas diese Lücke mit einer vergleichsweise kurzen und praxisnahen Ausbildung füllen kann. Gerade sprachbasiert kann das unsere Schule so gut wie keine andere Schule oder gar Hochschule. Unsere maximal 45 Absolventen pro Jahr können diese hohe und noch wachsende Nachfrage auf dem Markt natürlich nicht komplett decken. Texter auf Senior-Level stellen oftmals fest, dass sie als Freie oder in Unternehmen in der digitalen Welt mehr Möglichkeiten und mehr eigene Gestaltungsräume haben; auch was ihr Leben angeht, und gehen deshalb zunehmend für Agenturen verloren. Und es kommt hinzu, dass Netzwerke von Freien Kreativen heute ganze Agenturen ersetzen können.

nb: Ein anderes Branchenthema ist die Dominanz der großen Digitalplattformen, die die etablierten Player im Werbemarkt unter Druck setzen. Zugleich wandern immer mehr Mitarbeiter, in deren Ausbildung Agenturen investiert haben – direkt, aber auch über ihr Engagement bei Institutionen wie der Hamburg School of Ideas – zu Start-ups oder den großen Digitalfirmen ab. Wäre es nicht an der Zeit, dass diese auch mehr Verantwortung übernehmen und sich an der Ausbildung beteiligen?
Berg: Start-ups sind bei uns an der Lehre und als Fördermitglied beteiligt, ebenso wie große Digitalfirmen. Wir nutzen die Expertise aller, die für sich in Anspruch nehmen, in der Kommunikationsbranche zukunftsweisend zu sein. Unser partizipatives Schulmodell sorgt per se dafür, dass es nicht zu Dominanzen einzelner kommen kann. Wir nehmen durchaus wahr, dass wir mit unserer Ausbildung auch mehr und mehr in die Wahrnehmung von Industrieunternehmen geraten, was wir begrüßen.

nb: Das Thema Künstliche Intelligenz steht oft im Raum, wenn es um die Zukunft kreativer Berufe in der Werbung geht. Wo kann KI beim Texten unterstützen – und wo wird auch in Zukunft menschliche Sprachkreativität gefordert sein?
Berg: Wir glauben, KI kann das Schreiben komplett übernehmen, nicht aber das Denken oder die Ideen. Wir glauben daran, dass ausschließlich Menschen dazu in der Lage sind, Ideen zu generieren, die nicht von einem Algorithmus ausgeworfen werden. Falls wir uns irren, müssen wir den Stecker ziehen.

Texttalente gesucht:

Noch bis zum 24. Mai können sich Interessenten für nächste duale Ausbildungsjahr mit Start im Oktober 2019 bewerben. Hier geht´s zum Kreativtest




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(is) 05.03.2019


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