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Strategy Corner: Strategie als Disziplin

Dr. Gordon Euchler ist Vorstandsmitglied der Account Planning Group Deutschland und im Hauptberuf Head of Planning bei BBDO in Düsseldorf (Foto: APGD)
Dr. Gordon Euchler ist Vorstandsmitglied der Account Planning Group Deutschland und im Hauptberuf Head of Planning bei BBDO in Düsseldorf (Foto: APGD)

Die APG Strategy Corner gibt Strategie in Deutschland eine Bühne. Aber die APG Strategy Corner kann mehr. Sie kann helfen, Strategie besser zu machen. Überraschend unklar ist jedoch: Was ist bessere Strategie?

Ein Gastbeitrag von Dr. Gordon Euchler, Head of Planning BBDO Düsseldorf , und Gastautor der APG.

"Strategie ist der Plan, um ein Ziel zu erreichen." Im Falle der Marketing-Strategie ist das Ziel das Entdecken und Ergreifen der größtmöglichen Wachstumschancen des Unternehmens. Diesem Ziel geht notwendigerweise ein Marketing-Problem voraus – denn sonst wäre die Chance längst Realität.

Da es bei strategischen Problemen zumeist um den Gesamterfolg von Marketing und dem Unternehmen geht, ist der richtige Kunde im Unternehmen damit auch der Marketingleiter oder Chief Marketing Officer (CMO) – er hat den ganzheitlichen Blick auf große Probleme und ist frei von Einzelinteressen. So ergibt sich ein Anspruch an gute Strategie:

Strategie soll CMOs und Marketingleitern helfen, die großen Wachstumschancen zu entdecken und Probleme in deren Weg auszuräumen.

Dieser Maßstab hat eine analytisch-kreative Seite: nämlich Wachstumschancen zu suchen und Wachstumsprobleme auszuräumen. Aber das hat auch eine zwischenmenschliche Seite: denn Strategen entwickeln Strategie meist nicht für sich selbst, sondern für einen Kunden. Und ohne Vertrauen des Marketingverantwortlichen gibt es keine sinnvolle Strategiearbeit. Er muss an die Fähigkeiten des Strategen glauben, eine solche Lösung erarbeiten zu können. Sonst wird er dem Strategen die Aufgabe nicht anvertrauen. Aber es gilt auch: Ohne Vertrauen hat die bestmögliche strategische Lösung nur wenig Chancen auf Umsetzung. Denn gerade die besten Lösungen gehen neue Wege. Und das erfordert den Mut des Kunden und Vertrauen in den Strategen.

Gute Strategie braucht Vertrauen

Um sich dieses Vertrauen zu verdienen, muss Strategie mehr leisten und besondere Ansprüche an sich stellen – Ansprüche, die sicherstellen, dass er Marketing-Probleme besser lösen kann. Diese besonderen Ansprüche an Strategen sind:

1. Kundenerfolg vor Agenturerfolg
Die Aufgabe von Strategen ist es, die bestmögliche Lösung zu entwickeln und Kundeneinkommen zu maximieren. Klar gesagt: Strategen müssen nicht das Agentureinkommen maximieren. Sie müssen auch nicht die Lösung entwickeln, die der Kunde erwartet. All diese Ziele müssen Strategen ignorieren. Erst diese Unabhängigkeit des Strategen lässt erfolgversprechendere Lösungen des Wachstumsproblems zu. Und ist damit die Basis des Kundenvertrauens und muss unter allen Umständen bewahrt werden.

2. Wählerischer bei Chancen und stringenter bei Problemen
Wer sich nur dem Kundenerfolg verschreibt, gewinnt Vertrauen. Diese Unabhängigkeit von anderen Zielen bringt aber auch die Verpflichtung mit, Chancen und Probleme zwingender anzugehen.

Das beginnt mit der Frage: Wo liegt die größte Wachstumschance? Und welches Problem steht ihr am meisten im Wege? Strategen hecheln nicht einfach der nächsten 0,1 Prozent Wachstumschance hinterher. Gehen nicht das einfachste Problem an und lösen dabei nur Symptome. Es geht darum, sich voll und ganz der größten Chance und deren größtem Problem zu verschreiben. Und dies voll und ganz mit allen zur Verfügung stehenden Fakten und Experten zu analysieren. Und – wenn nötig – neue Fakten zu finden. So tief einzusteigen, dass man alle unterschiedlichen und möglichen Lösungshypothesen entwickelt. Die, die man erwartet. Aber vor allem mit Mut und Entdeckergeist immer neue Hypothesen zu entwickeln.

All diese Hypothesen müssen auf Herz und Nieren überprüft werden – bis man herausfindet, welche von ihnen das Problem am besten zu lösen verspricht. Von den anderen muss man sich brutal trennen. Und dennoch wird auch die beste Lösungsidee nicht die Realität überleben. Je weiter man sie umsetzt, umso weiter muss sie hinterfragt, angepasst und optimiert werden. Oder als gescheitert erklärt werden.

Wachstumschancen ausarbeiten, deren Probleme definieren, eine vollständige Breite an möglichen und realistischen Hypothesen entwickeln, bewerten, verwerfen – wenn jemand dieser Stringenz im Problemlösungsprozess nicht gerecht wird, macht er sich angreifbar. Er wendet allgemeine Erfahrungen und Tools auf besondere Probleme an. Wer nicht alle realistischen Hypothesen bewertet hat, kann nicht sagen, dass er auf dem erfolgversprechendsten Wachstumsweg ist. Wer nicht quantitativ seine Thesen bewertet, steht immer unter Generalverdacht der Meinung. Wer nicht den Input und die Daten anderer – sei es anderer Agenturen, Beratungen oder auch Mitarbeiter des Unternehmens – sucht, der hat nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Und ohne diesen Anspruch an ein zwingendes und – zumindest in der Abfolge fast schon wissenschaftliches Vorgehen, kann Strategie nicht von sich behaupten, große Probleme des Kunden bestmöglich zu lösen.

3. Eine Strategie des Entertainments
So entwickelt man eine Strategie in Abgrenzung zu anderen Unternehmen und Marken. Das ist aber nur ein Teil der Konkurrenz. Während andere Marken Millionen ausgeben, um von Menschen gesehen zu werden, zahlen die Menschen Milliarden für Netflix oder Fortnite. Und genau diese Popkultur ist der wahre Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen. Es gilt: "People read what interests them, and sometimes it’s an ad."

Popkultur und Entertainment erlaubt es Menschen, sich auf emotionale Reisen zu begeben – in der Sicherheit ihres Sofas. Die Spannung bei "Call of Duty", die Schadenfreude in "Dumm und Dümmer", aber auch die Furcht bei einem Horrorfilm. Bis jetzt hilft Strategie Marken zu selten, hier ihre Rolle zu finden und zur Popkultur beizutragen. Es gibt eine Unmenge an strategischen Ansätzen, um uns vom Wettbewerb anderer Unternehmen abzugrenzen. Aber es gibt kaum einen Ansatz, der derartiges für die Popkultur-Konkurrenz schafft. Zu oft verlässt man sich hier auf Meinung und Intuition – und vernachlässigt stringentes Vorgehen.

Es ist noch nicht einmal bekannt, welche Werbung die Menschen auf der Straße eigentlich unterhält.
Während es Tausende Methoden gibt, dem Produkt Relevanz zu geben – vom Use-Case über den Genuss-Shot und die Preisdarstellung –, mangelt es an ähnlicher Hilfe, um unterhaltsam zu sein. Weil Popkultur so unterhaltsam ist, glauben wir scheinbar oft, dass sie mit Leichtigkeit zu erzielen sei. Eine Studie darüber, wie Comedians Humor erreichen, deutet das Gegenteil an.

Zu selten hilft Strategie Marken bei dieser Arbeit: den richtigen Ort, aber auch die richtige Sprache und die richtigen Genres und Storys in der Popkultur zu finden und mit ihrer Positionierung beizutragen. Und noch viel seltener suchen Strategen auch hier die maximal sinnvolle Anzahl an Lösungshypothesen und testen sie. Zu selten messen wir diese Fähigkeit an KPIs jenseits von Awareness. Obwohl wir wissen, dass auch ein ekelerregendes Bild sehr leicht Awareness-Bestwerte erzielt.

Wir müssen den Sweet-Spot entdecken, wo Unterhaltungswert nicht zulasten der Produktrelevanz geht und umgekehrt. Oder wie sie sich gar verstärken können. Und die so wichtigen Emotionen behandeln wir hemdsärmelig. Oft tun wir, als wäre Humor gleich Humor. Eine Strategie des Entertainments hingegen nutzt die Unterschiede in der Wirkung von Lachen, Kichern, Prusten, Schadenfreude oder Giggeln. Kurz: Um Marketing-Probleme bestmöglich zu lösen, muss Strategie besser helfen, Marken in der Popkultur zu verankern.

Ein Preis für bessere Strategie

Strategie braucht Vertrauen. Dafür müssen Strategen den Kundenerfolg vor alles andere stellen. Dieser Fokus schafft Freiraum und auch die Verpflichtung, Probleme zwingender anzugehen. Ein sehr stringentes Vorgehen bringt außergewöhnlichere Lösungen hervor, die sich aber im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen ihren Platz in der Pop- und Entertainment-Kultur erarbeiten müssen. Und das ist zwingend für einen langfristigen Kundenerfolg.

Diese Ansprüche binden gute Strategie. Wie man diesen Ansprüchen gerecht wird, ist jedoch jedem Strategen überlassen. Denn besondere Probleme erfordern besondere Lösungen. Das ist die bessere Strategie.
Diesen Ansprüchen soll jeder Strategy-Corner-Artikel gerecht werden und nur solche Artikel werde ich auswählen und Autoren bei der Erarbeitung unterstützen. So leistet die APG Strategy Corner ihren Beitrag zum Aufbau und Fortschritt von strategischem Wissen in Marketing und Werbung.

Gute Strategy-Corner-Artikel zeigen neue, bessere Wege auf, wie Unternehmen durch Strategie erfolgreicher sein können. Nicht veröffentlicht werden in Zukunft Artikel, die Erfolge einer Agentur ungebührend in den Vordergrund stellen. Oder offensichtlichen Geschäftsinteressen dienen. Es verbieten sich automatisch auch in der APG Strategy Corner in Zukunft Artikel, die nur Meinung verkünden. Die einfach behaupten. Oder sich auf Erfahrungen ausruhen. Es bedarf mehr. Mehr Logik. Mehr Analyse und gerne auch quantitative Unterstützung.

Gute Artikel zeichnen sich auch durch neugieriges, suchendes und ausprobierendes Vorgehen aus und nehmen die Leserinnen und Leser mit auf Entdeckungsreise, zu Ideen, denen sie nicht unbedingt zustimmen, aber die zum Denken und Handeln anregen. Ich wünsche mir, dass dies vermehrt zu einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung über diese Beiträge führt – gerne auf der LinkedIn-Seite der APG Deutschland. Denn je mehr wir uns in der Sache streiten, umso mehr tun wir für die Sache. Deshalb freue ich mich, dass Thomas Strerath den Anfang mit der nächsten APG Strategy Corner macht.

Um den Wettstreit um bessere Strategie weiter zu fördern, möchte ich alle sechs Monate den Preis für den besten Strategie-Artikel ausrufen. Bewertet nach den hier aufgestellten Ansprüchen. Vorschläge für Jurymitglieder nehme ich gerne mit kurzer Begründung an.

Der Beitrag ist zuerst erschienen in new business 37/2019.

Account Planning Group
Dr. Gordon Euchler ist Vorstandsmitglied der APG (Account Planning Group), dem Verband der Marken- und Kommunikations-Strategen, und im Hauptberuf Head of Planning bei BBDO in Düsseldorf.. Die APG wurde 1997 gegründet und zählt mittlerweile rund 630 Mitglieder, die beruflich täglich über den Tellerrand des Alltagsgeschäfts blicken und sich mit der Zukunft von Marken und Kommunikation befassen. Die APG bietet Vorträge, Seminare und die jährliche Konferenz GROW. Mit der Strategy Corner in 'new business' will die APG (www.apgd.de) aktuelle Themen aufgreifen und zur weiteren Diskussion anregen.