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Wird VML zu dem Erfolg, den sich WPP davon verspricht? - Foto: WPP

Wird VML zu dem Erfolg, den sich WPP davon verspricht? - Foto: WPP

Agentur Merger

Was sagen Branchen-Vertreter zur „neuen“ VML?

Im Oktober 2023 gab das weltweit größte Agentur-Netzwerk WPP mit steuerlichem Sitz im britischen St Helier, Jersey, bekannt, dass aus den Agenturmarken VMLY&R und Wunderman Thompson zum Jahreswechsel 2023/2024 VML werden soll (new business berichtete). Durch den Zusammenschluss soll, wie WPP-Chef Mark Read es bezeichnet, „das weltweit größte Kreativunternehmen“ entstehen. Insgesamt wird der Zusammenschluss rund 30.000 Mitarbeiter unter ein Agenturdach bringen, deren Aufgabe die Vernetzung von Marken, Handel und Kunden ist.

Was sich als absoluter Gewinn für die Kunden anhören mag, ist unterm Strich nichts als eine Rationalisierung, in deren Mittelpunkt neben der Fusion im Kreativbereich auch die Vereinfachung der Arbeitsabläufe der ebenfalls zu WPP gehörenden Mediaagenturen GroupM. VML und GroupM stehen. Sie tragen rund zwei Drittel zum gesamten WPP-Umsatz bei. Reads Plan ist, bis 2025 rund 100 Millionen britische Pfund (knapp 115 Mio. Euro) einzusparen. Kosten übrigens, die laut Read allein wegen der vor dem Zusammenschluss entstandenen Ineffektivität im Rahmen der Zusammenarbeit und der strukturell bedingten Ausgaben angefallen sind. Oder anders ausgedrückt: Overheads fallen  nur noch einmal an. Was darauf schließen lässt, dass am Ende Entlassungen ausgesprochen werden, weil manche Stellen eben nicht mehr doppelt besetzt sein müssen.

Die im Raum stehende Zahl ist natürlich enorm und dürfte so manchen Finanzchef frohlocken lassen, würde er ein solches Potenzial im eigenen Unternehmen haben. Aber das Herz des Merges schlägt woanders. Das Herz von VML ist und bleibt die kreative Leistung. Entsprechend gehen auch die Meinungen über den Zusammenschluss der Agenturen auseinander. So meinte beispielsweise Now-Geschäftsführerin Louise Hayward, eine Fusion, die auf Größe und logistischer Reichweite beruht, ließe möglicherweise einige grundlegende Wahrheiten außer Acht. Im Fachmagazin „Campaign“ fragte sie: "Wann hören Ihre Herausforderungen auf, logistisch zu sein, und fangen an, sich mit Kreativität und Menschen zu beschäftigen? Ist dies eine praktische Lösung für ein logistisches Problem, oder hat es das Potenzial, ein kreatives Kraftwerk zu werden?"

Die Branche reagiert skeptisch

Ebenfalls skeptisch sieht Ian Whittaker den Zusammenschluss. Der Gründer und Managing Director von Liberty Sky Advisors sagte, ebenfalls gegenüber „Campaign“: „Es gibt jedoch mehrere Risiken. Das erste besteht darin, dass die Konsolidierung in erster Linie als Kostensenkungsmaßnahme gesehen wird, was sich auf die Leistung und die Moral der Kunden auswirkt, wenn sie nicht gut durchgeführt wird. Das zweite Risiko ist subtiler. Die Konsolidierung von Vermögenswerten ist ein typischer Schritt in schrumpfenden Branchen. Die Agenturen könnten damit signalisieren, dass sie den Kreativbereich auf diese Weise sehen (einige tun dies tatsächlich). Ich würde behaupten, dass dies der falsche Ansatz ist. Stattdessen sollte vielleicht betont werden, dass Kreativität eine Investition und keine Kostenquelle ist, die zum Endergebnis beiträgt.“

Auch Cat Wiles, Chief Strategy Officer bei Lucky Generals betrachtet den Merger als unglücklich. Sie ist davon überzeugt, dass der Zusammenschluss weitere Merges nach sich ziehen und die Spaltung der Branche noch verstärken wird. „Auf der einen Seite stehen die Full-Funnel-Kreativagenturen, ,alles aus einer Hand‘ anbieten und der Überzeugung sind, dass größer besser ist - doch sie laufen Gefahr, auf die bahnbrechende kreative Arbeit zu verzichten, nach der sich die Branche sehnt“, sagte sie gegenüber „Campaign“. Auf der anderen Seite gäbe es kleinere Agenturen, die sich für Kreativität und bahnbrechende Arbeit einsetzen und ihre Unabhängigkeit der Konsolidierung vorziehen. Diese Spaltung spiegele die uralte Spannung zwischen dem Streben nach Größe und dem Erhalt des kreativen Geistes wider. Wiles vermutet, dass diese Debatte noch viele Jahre andauern wird.

Eher hin und her gerissen ist dagegen Rebecca Nunneley. Die Lead Consultant der AAR Group meint, der Markt für Kreativagenturen sei stark übersättigt, und der Wettbewerb würde für Agenturen immer härter. Insofern könne man, insbesondere im Hinblick auf Überschneidungen, sowohl bei den Kundenlisten als auch bei den Kompetenzen, verstehen, warum WPP die Entscheidung getroffen hat, zwei große Marken (VMLY&R und Wunderman Thompson) zu VML zu konsolidieren, um sie zu vereinfachen und den Kunden durch ihre Größe weitere Vorteile zu verschaffen.

Im Gegensatz zu Cat Wiles ist sich Nunneley allerdings nicht sicher, dass dieser Zusammenschluss zu weiterem Merger führen wird. „Der Nutzen für den Kunden durch die Zusammenführung verschiedener kreativer Fähigkeiten zur Stärkung des Full-Funnel-Denkens und der Kundenzentrierung liegt auf der Hand, aber wie das in der Praxis funktioniert, sei komplizierter“, meint sie. Hier würden Fragen aufkommen, wie: Wen macht man zum neuen Chef? Wie bringt man zwei unterschiedliche Kulturen unter einem Dach zusammen? „Die erfolgreichsten Fusionen, die wir beobachten, sind in der Tat Übernahmen von Führungskräften und Kulturen“, sagt sie gegenüber „Campaign“.  Ihrer Auffassung nach sei dies nur eine der Möglichkeiten, wie sich Agenturen anpassen können, um besser auf die aktuellen Herausforderungen der Kunden zu reagieren, weist aber auch darauf hin, dass sie nicht in jedem Fall richtig sein wird. „Die positive Herausforderung, die sich aus der Zusammenarbeit mehrerer Agenturen ergibt, kann auch enorme Vorteile mit sich bringen, daher denke ich, dass wir auch in Zukunft Beispiele sehen werden, in denen beides für Marken und Agenturen gleichermaßen erfolgreich ist“, ist Nunneley überzeugt.

Ihre Überzeugung leitet perfekt auf die Gedanken von Faris Jacob über, der seine Gedanken zu VML in einer Ode an die neue Agenturmarke zusammenfasst. Hierin schreibt er unter anderem, alle hätten sich über die Agenturgründer lustig gemacht, die ihre Agenturen nach sich benannt haben. Dann seien Abkürzungen in den Vordergrund getreten. Aus Chiat Day wurde TBWA, James Walter Thompson gibt es nicht mehr. Lowe schloss sich der „Krake“ Mullen an und Adam&Eve fanden bei DDB Unterschlupf. Irgendwann dazwischen verlor FCB Draft. Aber: McCann ist nach wie vor McCann und Ogilvy ist Ogilvy. Nun sei VML am größten. „Hoffen wir, dass das funktioniert …“, schließt er seine nachdenklich stimmenden Gedanken.