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GASTBEITRAG

Die Entstehung einer viralen Marketingkampagne – Bild: Freepik (https://www.freepik.com/free-photo/full-shot-teenager-with-graphic-elements_61281705.htm)

How to … go viral?

Eine Kampagne entwickeln, die ihresgleichen sucht, Maßstäbe setzt und "viral" geht. Das ist der Traum aller Unternehmen – und in der Marketing-Praxis doch so schwer. Dabei gibt es einige Erfolgszutaten, die es braucht, und die die Chance auf viralen Kampagnenerfolg maßgeblich steigern. Drei Marketing-Experten gewähren den Blick hinter die Kulissen ihres Erfolgsrezepts …

Anfangs blickt der Ex-Kampfsportler und Schauspieler nur entschlossen in die Kamera. Dann öffnet sich die Perspektive und die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben schier Unglaubliches: Wie auf unsichtbaren Schienen von einer unsichtbaren Perlenkette nach hinten gezogen, rollen zwei große Volvo-Trucks auf einer einsamen Straße rückwärts. Zwischen ihnen thront in einigen Metern Höhe Jean-Claude Van Damme. Der Action-Schauspieler steht anfangs breitbeinig zwischen den zwei Monster-Trucks. Doch diese vergrößern Zentimeter für Zentimeter den Abstand zwischen sich – sodass Van Damme immer tiefer sinkt, bis er schließlich bei voller Rückwärtsfahrt im Spagat endet. Ein Stunt der Meisterklasse. Und zugleich ein Musterbeispiel für einen weltweiten viralen Marketing-Erfolg. Das Video des Werbedrehs hat sich seit seiner Premiere vor nunmehr zehn Jahren besonders auf der Plattform YouTube wie ein Lauffeuer verbreitet und erreichte bis heute rund 120 Millionen Aufrufe. Und das wohlgemerkt für einen Werbespot aus dem Hause Volvo Trucks – alter Schwede!

Bei viralen Videos ist das Herz entscheidend

Was die Skandinavier können, schaffen auch die Deutschen. Seit Jahren feiert etwa die deutsche Supermarktkette Edeka mit ihren rührseligen, zur Nachdenklichkeit stimmenden Videos rund ums Weihnachtsfest virale Erfolge. Ein besonders eindrückliches Beispiel war vor einigen Jahren der Kurzfilm "#Heimkommen". Darin inszeniert ein alleinlebender alter Mann seinen eigenen Tod, um all seine um die Welt verstreuten Töchter und Söhne zum Weihnachtsfest nach Hause zu locken. Ein trauriger Anlass mit dem erwartbaren Happy End – und nachweislich großem Erfolg auf allen digitalen Videoplattformen und sozialen Medien. 

Volvo Trucks oder Edeka sind Musterbeispiele für gelungenes, virales Storytelling. Doch angesichts der Vielzahl von Kampagnen, die Tag für Tag weltweit in Unternehmen und sie unterstützenden Agenturen ausgeheckt werden, sind diese Beispiele auch nicht die Regel. Die meisten Kampagnen sind nett, aber ohne durchschlagenden Erfolg. Was also entscheidet über die Performance einer Marketing-Idee, wie sieht die Rezeptur für viralen Erfolg aus, also für eine Kampagne, die sich wie im Fall von Volvo Trucks oder Edeka selbst im Netz "fortpflanzt"?

Es braucht eine exzellente Idee, die man gerne mit anderen teilt

"Wenn es das Geheimrezept für virale Kampagnen geben würde, besäßen wir den heiligen Gral. Aber natürlich gibt es ein paar Erfolgsfaktoren", sagt Marco Obermann, Managing Creative Director des Creative Content Studios 27KM mit Hauptsitz in Hamburg. Obermann: "Der wichtigste Erfolgsfaktor für eine virale Kampagne ist immer noch eine gute Idee, die man gerne freiwillig teilt. Und es hilft, wenn eine bekannte Persönlichkeit mit Social Media Reichweite Teil der Idee und Umsetzung ist." Also wie im Fall Volvo Trucks der belgische Leinwandstar Jean-Claude Van Damme. Das Beispiel Edeka, komplett mit unbekannten, glaubwürdigen Schauspielern besetzt, zeigt aber auch, dass für den viralen Erfolg nicht zwingend eine Hollywood-Größe mit entsprechend üppigen Honorarvorstellungen an Bord geholt werden muss.

Nicht nur die Machart des Videos – innovativ, aber nicht überdreht – ist Bedingung für den viralen Erfolg, sondern auch das ausgewählte Thema. Es muss den Nerv der Zeit treffen, vielen Leuten aus der Seele sprechen, darf durchaus anregen, aber nicht radikal provozieren. Experte Obermann von 27KM: "Inhaltlich kann es entweder ein popkulturell oder gesellschaftlich relevantes Thema sein. Eine Kampagne, bei der man sich fragt, ob es schon Fake ist oder noch echt." Als Beispiel nennt er von seinem Unternehmen produzierte "Schuhplattler"-Video mit Nationalstürmer Thomas Müller vom FC Bayern München. Oder auch den vermeintlichen "Beef" zwischen dem US-amerikanischen Rapper und Musikproduzenten Travis Scott und Ex-US-Tennisstar John McEnroe.

Humor, davon ist Marco Obermann überzeugt, geht langsam wieder – auch in Zeiten der Polykrisen: "Humor und Leichtigkeit sind nach einer längeren Purpose-Phase in Werbung und Kampagne wieder im Kommen", ist der Hamburger Video-Unternehmer überzeugt. Und weiter sagt er:  

"Die Zeitfenster können sich kurzfristig öffnen und wieder schließen. Das bedeutet aus Umsetzungssicht: Es braucht kurze Turnarounds, und vor allem entscheidungs- und risikofreudige Kundinnen und Kunden".

Erfolgversprechend ist es bei viral angelegten Kampagnen, die Nutzerinnen und Nutzer nicht nur als Weiterverbreiter zu sehen – sondern als elementaren Teil einer Kampagne. Musterbeispiele dafür sind etwa die legendäre Ice-Bucket-Challenge, aber auch die Kampagne "#All41" für den Sportsender DAZN. Darin sagen normale Menschen, aber auch Stars aus anderen Sportarten der deutschen Basketballlegende Dirk Nowitzki "Danke" für dessen Karriere und den tollen Sport, den er seit Ende der Neunzigerjahre mit der Rückennummer "41" bei den Dallas Mavericks in der amerikanischen Basketballliga NBA und als deutscher Nationalspieler geboten hat. Einmal alle für einen statt einer für alle. 

Ohne richtige Distributionsidee ist alles nichts

Entscheidend bei der täglichen Masse an Content und Werbebotschaften ist aber nicht nur die Exzellenz und Individualität einer Kampagne. Entscheidend ist auch das Distributionskonzept. Selbstverständlich spielt bei viralen Kampagnen der Zufall eine Rolle. Doch Viralität lässt sich ein gutes Stück weit planen. In jedem Fall wichtig ist nach den Worten von Marco Obermann eine "Seeding-Strategie", mit der die Kampagne eine "Mindestsichtbarkeit" bekommt und die erste Welle lostritt. Für das Seeding kann auch ein Promi wie Van Damme mit entsprechend großer Basisreichweite sorgen. Andernfalls kann das Seeding über Influencer und Creator geschehen, durch eingekaufte Werbeplatzierungen auf Social Media oder durch kluge PR-Arbeit, also die Platzierung im redaktionellen Umfeld. Obermann: "Beim Seeding macht es aus meiner Erfahrung Sinn, fast alle Spendings in der ersten Woche einzusetzen, um eine hohe Sichtbarkeit zu bekommen –  und ab diesem Tipping Point wird es entweder freiwillig weiterverbreitet oder es verschwindet in den Tiefen des Internets."

Zentraler Rat: "Kenne deine Zielgruppe"

Für den Erfolg einer viralen Kampagne ist die initiale Planung entscheidend, meint Moritz Lambrecht. Er ist einer von zwei Geschäftsführern der Marketingagentur Ad Specialist GmbH, die sich darauf spezialisiert hat, Marken beim Wachstum im digitalen Umfeld zu unterstützen. Lambrecht betont vor allem die Wichtigkeit, sich vor dem Start einer Kampagne intensiv mit der Zielgruppe zu beschäftigen: "Kenne deine Zielgruppe: Analysiere die Bedürfnisse, Interessen und Sorgen einer Zielgruppe." Ein weiterer wichtiger Punkt: "Denke in Plattformen bei der Content-Erstellung." Das bedeutet konkret: "Passe deine Inhalte an die jeweilige Plattform an. Verwendet beliebte Hashtags, nutze die Video Captions und entwickle formatabhängige Inhalte." Soll heißen: Die jeweilige Plattform, der jeweilige Kanal entscheidet über den Content – nicht alles passt gleichermaßen überall gleich gut. 

Zudem rät Experte Lambrecht zu umfassenden Trendanalysen, Kanal für Kanal: "Identifiziere aktuelle und zukünftige Trends auf Plattformen." Einen wichtigen Punkt sieht er dabei in der Musik, die viele immer noch nur als Beiwerk betrachten, die aber das Zeug dazu hat, über Emotionen zu entscheiden. So spielt gerade die Musik in den rührseligen Spots von Edeka eine, wenn nicht die entscheidende Rolle. "Emotionen" sind für Lambrecht der entscheidende Schlüssel nicht nur zum Verstand, sondern gerade auch zu den Herzen der Userinnen und User. Wenn dann noch "Challenges" dazukommen, die die Nutzer auf TikTok oder Insta selbst zu Creatorn und zum Teil der Kampagne werden lassen, ist viraler Erfolg zwar nicht programmiert, aber ein gutes Stück wahrscheinlicher geworden. 

Neben der Musik spielen Bilder und innovative GIFs eine zentrale Rolle bei viralen Kampagnen. Einer, der sich mit GIFs wie aus dem Effeff auskennt und sich selbst als "GIF-Milliardär" bezeichnet, ist Markus Kreykenbohm, Kreativchef und Gesellschafter von Kochstrasse™ Agentur für Marken GmbH aus Hannover.

GIFs: Milliarden-Erfolg und Garant für Viralität

Kreykenbohm: "GIFs sind mehr als Tradition oder ein Gimmick – sie sind ein Touchpoint auf fast allen relevanten Social- und Business-Social-Media-Plattformen. Und auch die Reichweite wie Sichtbarkeit von Marken profitiert sehr wohl von den animierten Wackelbildern." Das GIF-Format (Graphics Interchange Format) selbst hat sich seit 1987 nicht verändert, es ist definitiv überholt und doch ist seine Heritage mit ein Grund für den Zeitgeist, den es hat. Kreykenbohm: "So sehr, dass wir mit unserer Agentur seit April 2018 mit unseren eigenen Wackelbild-Kreationen auf GIPHY 23,4 Milliarden Views und auf Tenor 25,6 Milliarden Views generiert haben. Das sind unfassbare Zahlen, wenn wir uns beispielsweise mal andere globale Marken wie Adidas, Nike, Disney, RedBull oder Bayern München in diesem Bereich anschauen. Rein rechnerisch waren wir von der Kochstrasse™ aus Hannover mit unseren GIFs zehn Mal auf jedem Smartphone der Welt!" Kunden wie Sennheiser, Volkswagen Financial Services, die AOK oder Porsche setzen auf die kleinen digitalen Bildchen Made in Niedersachsen. 

Doch auch bei den GIFs ist nicht alles Gold, was glänzt. Wie wird ein Wackelbild zum Erfolg? Kreykenbohm wagt den Versuch einer Definition: "Es ist die Mischung aus Strategie und Idee, eine Art Selbstironie, der Kontext und das Verständnis für das Suchverhalten der Nutzer. Das i-Tüpfelchen sind die sogenannten Content Gaps, also Ideen und Motive für Suchbegriffe, die noch kommen werden, die aktuell wenig Content-Output aufweisen. Es ist ein Balanceakt, den Zeitgeist und die Trends zu verstehen. Bei der Gestaltung kommt es auf die Klarheit der Idee und die Inszenierung von Emotion und Botschaft an."