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Agentur 4.0: Full Moon auf Zukunftsmission

(Bild: Full Moon)
(Bild: Full Moon)

Die Digitalisierung zwingt nicht nur Unternehmen auf Kundenseite, Organisationsstrukturen, Denk- und Arbeitsweisen zu verändern, sondern auch die Agenturen selbst. Full Moon in Stuttgart hat vor einem Jahr einen umfassenden Transformationsprozess unter dem Motto 'New Moon' gestartet. Wo er ansetzt, welche strategischen Ziele dahinter stehen und mit welchen Schwerpunkten er umgesetzt wird, fragten wir Gründer und Geschäftsführer Tim Höchel.

nb: Herr Höchel, wie stellt sich der Arbeitsmarkt für Agenturen in Baden-Württemberg dar? Wie stark tobt der War of Talents im Ländle?

Tim Höchel: Im Vergleich zum Rest der Republik sind wir in Baden-Württemberg aktuell noch in einem goldenen Kokon. Die Perspektiven sind aber allein schon aus demografischen Gründen relativ schlecht. Deswegen müssen wir jetzt etwas tun, um in fünf oder zehn Jahren den 'War of Talents' zu gewinnen.

nb: Vor einem guten Jahr haben Sie in Ihrer Agentur den Veränderungsprozess 'New Moon' gestartet. Was ist das Ziel?
Höchel: Anfang 2016 hatte ich zum 15-jährigen Jubiläum unserer Agentur Full Moon eine Ansprache an alle Mitarbeiter geplant und einen Blick auf die vergangenen Jahre geworfen. Dabei habe ich plötzlich realisiert, dass der Ursprungswert, mit dem ich 2001 Full Moon gegründet hatte, überhaupt nicht mehr galt. Dieser Wert war: Mach’ Dein Ding, so wie Du denkst und es möchtest. Der Verlust dieses Ursprungswertes in Verbindung mit den immer knapper werdenden Human Resources hat mich dazu gebracht, etwas zu verändern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in einem Umfeld, in dem die Mitarbeiter selbstständig und frei agieren, kunden- und produktseitig wesentlich erfolgreicher sind. Zwängen wir Mitarbeiter in ein Kastensystem hinein, laufen wir große Gefahr, dass sie stumpf für Erneuerungen, für Trends und für Leidenschaften werden.

nb: Jeder Mitarbeiter soll im Rahmen von 'New Moon' ein individuelles Zielsystem für sich entwickeln. Wie darf man sich das vorstellen?
Höchel: Auch hier sind wir mit einer großen Frage an das Thema herangegangen: Was wäre, wenn sämtliche Unternehmensziele durch die einzelnen Mitarbeiter definiert werden würden? Wir haben uns dabei ganz stark von großen Firmen wie Amazon inspirieren lassen. Dort sind die Ziele der Mitarbeiter nicht nur monetär definiert, wie es aktuell noch bei uns der Fall ist, sondern eher persönlich und leistungsbezogen. Das Zielsystem einer Führungskraft sollte sich demnach vielmehr darauf beziehen, wie viele Mitarbeiter besser waren und werden als er selbst. Das heißt, wir gehen von den rein monetären Zielen weg zu Zielen, die man sozusagen auch selbst "sprengen" kann. Auf diese Weise boosten wir die Leute, indem wir sagen: "Mach’ Dein Ding und setze die Benchmark selbst so hoch wie Du möchtest für Dinge, die Du erreichen möchtest." Dahinter werden wir natürlich ein monetäres System hängen. Zusätzlich planen wir, sämtliche Titel bei Full Moon abzuschaffen. Denn wir wollen den Erfolg jedes Einzelnen über seinen Beitrag definieren und nicht über seine Rolle in einer Befehlskette. Das ist für uns ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung unserer Vision. Full Moon soll ein Marktplatz mit ganz vielen Menschen, Talenten und Fähigkeiten werden.

nb: Ein wichtiger Part von New Moon ist die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Reichen Laptop und Diensthandy aus, damit Home Office wirklich effizient funktioniert oder braucht es mehr?
Höchel: Grundsätzlich ja. Beim Home Office geht es aber letztlich um etwas ganz anderes. Es gibt Themen, bei denen ein Team notwendig ist. Da macht Home Office nicht viel Sinn. Aber es gibt Bereiche, z.B. bei der Kreation, Kalkulation oder Informationssuche im Internet, bei denen Home Office wiederum Sinn macht. Dazu kommt natürlich noch, dass alle Mitarbeiter eine gemeinsame Plattform benötigen, mit der sie ortsunabhängig zusammenarbeiten und kommunizieren können. Wir haben uns auf einen Minimalkonsens geeinigt. Wir haben gesagt, der kleinste Nukleus – also das Team – entscheidet Woche für Woche, wann es Meetings gibt, in denen jeder gebraucht wird. Bei diesen Meetings versucht jeder, persönlich da zu sein. Wenn das mal nicht geht, weil das Kind krank ist und Home Office dann die bessere Option ist, wird der Kollege oder die Kollegin per Videokonferenz o.ä. dazugeschaltet. Aber der Wunsch der Mitarbeiter ist, sich zu sehen, wenn wichtige Dinge besprochen werden müssen.

nb: Agenturen zählen meist nicht gerade zu den familienfreundlichsten Unternehmen. Auch das wollen Sie mit New Moon ändern.
Höchel: Ich kann hierbei nicht für alle Agenturen sprechen. Bei uns sind Kinder, Partner, Freunde und auch Hunde schon immer ein Teil von Full Moon gewesen. Immerhin haben wir in unserer Agentur 14 Mütter bei insgesamt 76 Frauen und sogar 15 Väter bei insgesamt 49 Männern. Daher kann es bei uns gar keine Trennung von Berufs- und Familienleben geben – gab es noch nie und wird es nie geben. Ich denke, wir können sogar noch einiges mehr tun, um Mütter und Väter gezielt zu unterstützen. Es ist für uns überhaupt kein Problem, wenn jemand sein Kind mal zwei Tage mitbringt oder kurzfristig nach Hause muss, um sein krankes Kind aus der Kita abzuholen. Das gehört zu unserem Agenturleben dazu. Wir finden es überaus wichtig, dass sich jemand den Ausgleich, die Leidenschaft und die unheimliche Energie holt, um eine Familie zu gründen und für diese dann Verantwortung übernimmt.

nb: Mit welchem finanziellen Aufwand rechnen Sie bei der Umsetzung des 'New Moon'-Prozesses?
Höchel: Wir planen mit Beratungs- und Implementierungskosten von etwa 150.000 Euro innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre. In der anfänglichen Workshop-Phase haben unsere Mitarbeiter rund eine Stunde pro Woche in die Transformation investiert, sich aktiv eingebracht und die Umstrukturierung so mitgestaltet.

nb: Mit Miriam Specht, der Expertin für Transformationsprozesse, haben Sie auch eine externe Spezialistin mit ins Boot geholt.
Höchel: Miriam Specht ist wirklich ein Glücksgriff für uns. Sie ist nicht nur Expertin für das Thema Transformation, sie ist einfach extrem visionär. Sie hilft uns, auf der Meta-Ebene Visionen zu entwickeln und diese dann in realistische Prozesse zu bringen. Man könnte eine solche Transformation zwar intern lösen, aber das ist ein bisschen wie mit Fitness: Wenn ich einen Coach habe, den ich bezahle, der mich antreibt und der will, dass ich morgens um sechs Uhr hundert Liegestütze mache und fünf Kilometer jogge, dann werde ich das wahrscheinlich eher und sogar konsequenter machen, als wenn ich mir das ohne professionelle Unterstützung vornehmen würde. Es braucht draußen nur zu regnen und schon bleibe ich lieber daheim, anstatt joggen zu gehen.

nb: Warum kann man Change nicht inhouse organisieren?
Höchel: Ein Coach ist kein Muss, aber er ist eine Hilfe. Obendrein bräuchte man für einen solchen Change-Prozess sowieso zwei bis drei Mitarbeiter, die hierfür extra eingestellt werden müssten. Daher ist es für mich gut investiertes Geld, mir einen Experten ins Haus zu holen und nicht einen internen Mitarbeiter zu veranschlagen, der vermutlich nur im Mikrokosmos Full Moon lebt. Ein Experte von außen hat einfach einen frischen Blick. Ein Transformationsexperte sammelt parallel wiederum mit anderen Kunden Erfahrungen und hat dadurch eine für uns entscheidende Expertise. Er wird für ein paar Jahre budgetiert und wir holen uns die volle Power von ihm bzw. in unserem Fall von ihr.

nb: Wie findet man den richtigen Berater oder Coach?
Höchel: Wir haben im Umfeld herumgefragt – und hatten großes Glück. Wie so oft im Leben: Wenn man jemanden braucht, kommt die richtige Person um die Ecke. Deswegen kann ich gar nicht sagen, wie man das machen soll. Ich weiß nur, man sollte sich jemanden suchen, der besser als man selbst ist. Das ist ganz wichtig. Man sollte sich einen Coach suchen, der einem zwei bis drei Meilen voraus ist und der einem sagt, was richtig und was falsch ist. Man sollte sich keinen Ja-Sager suchen, der nach einem alten und festen Schema vorgeht und dieses einem auferlegen will. Miriam Specht denkt anders, sie sagt oft nein, weil sie etwas anders sieht. Dieser Diskurs ist das Gesündeste, um ein System zu verändern. Wenn ich also einen Rat geben kann, dann würde dieser lauten: Suche einen Coach, der unangenehm ist, der nach vorne denkt und visionär ist. Suche keinen Verwalter. Ganz oft sind Coaches wie Ärzte: Es ist ihm am liebsten, der Patient wird nie gesund, denn so kommt der Patient immer wieder.

nb: Dann stellen wir mal noch eine typische Coaching-Frage: Woran merken Sie in fünf Jahren, dass New Moon ein voller Erfolg war?
Höchel: Full Moon war in einer sehr guten finanziellen Lage. Wir hatten Strukturen und wir waren in einer Situation, in der jeder fragte, wieso veränderst Du jetzt etwas. Für uns ist klar, dass wir nicht stehen bleiben wollen und werden, wie wir es zum Teil in der großen deutschen Industrie sehen. Ich muss heute gar nicht fünf Jahre nach vorne schauen. Für mich ist es jetzt schon ein voller Erfolg, dass wir uns mit wegweisenden Themen auseinandersetzen, dabei kritisch sind, dabei lachen, weinen und streiten. Immerhin haben wir einen Veränderungsprozess begonnen und dieser wird uns weiter begleiten. Wir werden uns bis zum letzten Tag stetig verändern. Wir sind mit dem Status Quo – egal, wie gut und gemütlich er ist – nie zufrieden. Das ist unser täglicher Erfolg der Dinge.


Wollen ihre 125-Mitarbeiter-Agentur fit für die Zukunft machen: Sebastian Wiese und Tim Höchel (r.), Geschäftsführer von Full Moon (Bild: Full Moon)


Das volle Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von 'new business'.